Originalstudie: Symptomatic versus disease-modifying effects of psychiatric drugs veröffentlicht in Acta Psychiatrica Scandinavica, Juni 2022
Artikel dazu: Psychopharmaka verbessern weder Krankheiten noch verringern sie die Sterblichkeit von Peter Simon auf madinamerica (auf größeren Bildschirmen lässt sich die Seite über das Flaggensymbol ganz oben in Deutsch anzeigen)
Medikamente können in zwei Hauptkategorien unterteilt werden: Solche, die symptomatisch wirken und solche, die krankheitsmodifizierend wirken. Krankheitsmodifizierende Medikamente zielen darauf ab, den Krankheitsverlauf zu verbessern und den Tod zu verhindern.
Ghaemi, ein renommierter Psychiater an der Tufts University und der Harvard Medical School, untersucht in diesem narrativen Review (Literaturauswertung des Forschungsstands), "ob und wie Psychopharmaka in eine dieser beiden Kategorien fallen und welche Folgerungen sich daraus für die klinische Praxis und für die psychopharmakologische Forschung ergeben".
Er kommt zu dem Ergebnis, dass "die meisten Psychopharmaka lediglich eine kurzfristige Verbesserung der aktiven Symptome zur Folge haben. Sie zeigen keine Langzeitwirkung auf die zugrundeliegende Erkrankung, wie eine Verbesserung des Krankheitsverlaufs oder der Verringerung der Sterblichkeit".
Dies ist in der Literatur empirisch belegt für den Einsatz von Antidepressiva bei Depressionen und von Antipsychotika bei Schizophrenie.
Ghaemi schreibt zu Antidepressiva:
„Es ist allgemein bekannt, dass Standard-Antidepressiva die Gesamtsuizidrate bei sogenannten schweren depressiven Störungen (MDD) nicht senken und tatsächlich Suizidgedanken und -versuche bei jüngeren Erwachsenen und Kindern steigern, basierend auf randomisierten Daten“.
„Die FDA-Metaanalyse ergab keinen Nutzen von Antidepressiva gegenüber Placebo nach 6-monatiger Behandlung.“
Zu Antipsychotika:
„In den meisten Studien zu Antipsychotika […] bleibt der Krankheitsverlauf chronisch und verschlechtert sich. Es wird durch eine langfristige antipsychotische Behandlung nicht rückgängig gemacht. Pathophysiologisch haben sowohl ältere als auch neuere Antipsychotika eine neurotoxische Wirkung bei der Verringerung des Gehirnvolumens bei Langzeitbehandlung.“
Ghaemi kommt daher zu dem Schluss, dass "ein veränderter Zugang zu der psychopharmakologischen Praxis und Forschung notwendig ist, der mehr auf eine langfristige Krankheitsmodifikation setzt als auf eine kurzfristige Symptomverbesserung."