Baylissa Fredericks Geschichte

Berichte von Betroffenen, die bereits Antidepressiva, Benzodiazepine, Neuroleptika (Antipsychotika) oder Phasenprophylaktika abgesetzt haben
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Baylissa Fredericks Geschichte

Baylissas Geschichte
Baylissa (Bloom in Wellness) -


Dieser Text wurde von LenaLena für adfd.org übersetzt. Mit freundlicher Genehmigung von LenaLena und der Autorin des Originals stellen wir euch die Übersetzung hier auch zur Verfügung.



Ich betrachte mich als einen der glücklichsten Menschen der Welt. Ich habe Erfahrungen mit verschriebenen Medikamenten gemacht, die dazu geführt haben, dass ich Menschen helfen kann. Ich bin jeden Tag dankbar und fühle mich privilegiert, etwas bewegen zu können. Alles begann vor vielen Jahren ...

KINDHEIT …

Seit frühester Kindheit habe ich eine unwillkürliche Bewegungsstörung namens paroxysmale Dystonie. Sie lässt mein rechtes Auge zucken, mein Kopf neigt sich nach links und eine krampfartige Bewegung erfasst meinen Oberkörper. Ich war als Kind unbeholfen und manchmal verhakte sich meine Hand hinter meinem Nacken. Wie du dir vorstellen kannst, wurde ich in der Schule gehänselt und wurde allmählich unsicher. Trotzdem hatte ich eine normale, relativ glückliche Kindheit und mein Leben war gut.

SUCHE NACH EINEM HEILMITTEL …

Im Laufe der Jahre habe ich viele alternative Ansätze ausprobiert, aber nichts hat funktioniert. Als mein Freund und ich beschlossen zu heiraten, suchte ich meinen Arzt auf in der Hoffnung, dass ich zumindest eine vorübergehende Lösung finden würde. Er fand dies in Form von Clonazepam (Klonopin oder Rivotril), das zur Behandlung solcher neurologischer Probleme eingesetzt wird. Ich hatte keine Ahnung, dass es auch als Beruhigungsmittel verwendet wird oder dass ein hohes Risiko der Abhängigkeit mit seiner Verwendung verbunden ist. Es war eine niedrige Dosis und half zunächst, die Tics auf ein paar pro Tag zu reduzieren. Ich war begeistert. Ich hatte das Wundermittel gefunden und unser Hochzeitstag war perfekt.

TOLERANZ …

Meine Euphorie war jedoch nur von kurzer Dauer, als die Tics bald wieder kamen, diesmal jedoch häufiger und intensiver. Als ich merkte, dass das Medikament nicht mehr wirksam war, hörte ich auf, es zu nehmen. Ein paar Tage später hatte ich beängstigende anfallsartige Bewegungen. Ich nahm schnell eine Dosis, und es hörte auf. Ich dachte, ich hätte eine Form von Epilepsie oder eine andere Bewegungsstörung entwickelt, da ich in der Tat sehr schnell eine Toleranz erreicht hatte (wo mehr von der Droge/dem Medikament benötigt wird), aber stattdessen hatte ich meine erste Entzugsreaktion, weil ich unwissend einen "Cold Turkey" (Kaltentzug) gemacht hatte.

Als die Dosis erhöht wurde, wurde ich wieder schnell tolerant und die Tics kehrten mit neuer Intensität zurück. Am Ende nahm ich die Medikamente über mehr als sieben Jahre durch wiederholte Verschreibungen. Die meiste Zeit über war ich in Toleranz und hatte allmählich immer mehr und mehr unklare Beschwerden und kleinere Leiden, von denen ich jetzt weiß, dass es Entzugserscheinungen waren.

NEBENWIRKUNGEN …

In den frühen Jahren war mein Leben mit der Medikation relativ normal. Ich habe fleißig im Freiwilligensektor in den Bereichen Krisenhilfe und -beratung für häusliche Gewalt gearbeitet. Ich absolvierte auch drei Jahre klinisches Psychotherapie- und Beratungstraining. Aber nach und nach wurde alles immer verschwommener: Der Nebel senkte sich auf mein Gehirn, ich ermüdete leicht, war emotional betäubt, distanziert und zerstreut. Trotz gesundem Essen und Sport kam mein Gewicht allmählich immer mehr außer Kontrolle. Das verwirrte mich, aber ich identifizierte das Medikament immer noch nicht als irgendwie dazu beitragend. Obwohl ich ein Gefühl der Vorahnung hatte und mir allgemein unwohl war, hatte ich keine Ahnung, dass dies irgendwie mit dem Medikament zusammenhing.

MEINE HELDIN…

In dem Bemühen, die Kontrolle über mein Leben zurückzugewinnen, suchte ich verzweifelt im Internet nach Antworten. Ich stolperte schließlich über das Ashton-Manual/Handbuch (Titel: Benzodiazepine: Wie sie wirken und wie man sie entzieht). Diese Richtlinie wurde von Professor C. Heather Ashton, Psychopharmakologin und führende britische Expertin für Benzodiazepine, geschrieben und enthält die wertvollsten Informationen über Benzodiazepine. (Bitte beachte, dass man sehr flexibel sein sollte, wenn man diese Medikamente entzieht, und dass die Schritte von den Entzugssymptomen abhängig sein sollten.)

Ich erinnere mich an die Tränen, die sanft über meine Wangen rollten, als ich endlich den Grund für meine Probleme erkannte. Am nächsten Morgen sprintete ich praktisch in die Praxis meines Arztes, zeigte ihm eifrig meine gedruckte Ausgabe des Ashton-Handbuchs und er verordnete das Diazepam, mit dem ich entziehen wollte. Ich wusste nicht, wie lange es dauern würde, aber ich wusste, dass es mir wieder gut gehen würde. Da ich nie irgendeine Art von psychischem Problem gehabt habe, habe ich viele der Symptome, die laut Handbuch nur bei Personen auftreten würden, die Angstzustände, Schlaflosigkeit oder Depressionen als Vorerkrankungen hatten, nicht beachtet.

SCHRITTWEISES REDUZIEREN ...

Meine zwei ersten Versuche, zu entziehen, führten dazu, dass ich das Medikament wegen der Verstärkung der Dystonie und der anfallsartigen Bewegungen, die es unmöglich machten, zur Arbeit zu fahren, wieder eindosierte. Mein dritter Versuch, der 2004 begann und 2005 endete, war erfolgreich. Als ich im Sommer 2005 das Clonazepam ganz absetzte, traten die Entzugserscheinungen auf. Nachdem ich beschlossen hatte, sie ohne Widerstand zu akzeptieren, tat ich mein Bestes, um ruhig zu bleiben und die Rolle eines "distanzierten Beobachters" einzunehmen. Ich spürte, dass wenn ich mich auf die Tatsache konzentrieren würde, dass die Symptome auf die stattfindende Heilung hindeuteten, die Angstzustände auf ein Minimum reduziert würden. Ich würde nur mit den Entzugserscheinungen fertig werden müssen.
Ich meditierte weiter (obwohl es während der akuten Phase schwierig war, wenn ich die durch den Entzug ausgelöste Unruhe hatte), übte mich in Achtsamkeit, positiven Selbstgesprächen, Affirmationen, emotional freedom techniques (EFT), Zwerchfellatmung und jeder anderen Bewältigungsstrategie, die mir einfiel, während ich miterlebte, was mit meinem Körper und Geist geschah.

AKUTE ENTZUGSPHASE

Während der akuten Phase des Entzugs konnte ich nicht schlafen, essen, jeder Teil meines Körpers schmerzte, kribbelte, brannte, zuckte, und meine Wahrnehmung war verzerrt. Mir wurde ständig schwindlig, meine Sinne waren verschärft sensibilisiert, und meine Augen waren glasig. Ich hatte Bauchschmerzen mit Erbrechen und Durchfall und jedes andere denkbare Entzugssymptom. Wenn ich diese Erfahrung nicht gehabt hätte, hätte ich nicht geglaubt, dass ein verschriebenes Medikament so ein verheerendes Chaos bewirken könnte. Ich erinnere mich, dass ich in den Spiegel geschaut und gedacht habe, dass ich wie ein Drogenkonsument in der Entgiftung aussehe. Manchmal war es sehr beängstigend, aber ich sagte mir immer wieder: "Ich erhole mich. Ich bin dankbar für meine Heilung."
Ein paar Monate nach meiner letzten Dosis Diazepam hatte ich eine kurze Periode, in der sich der Gehirnnebel hob und einige der Symptome nachließen oder abnahmen. Es war mein erster Blick auf die längst vergessene mentale Klarheit, die mit der Genesung zurückkehren würde. Zu der Zeit dachte ich, dass der Entzug vorbei wäre. Ich war begeistert und machte sofort Pläne, wieder an die Arbeit zu gehen. Die Zeit war jedoch noch nicht reif, und da sich mein Nervensystem immer noch in einem fragilen Zustand befand, kehrten die Symptome schnell zurück.

GEDULDIG WARTEN …

Ich hatte nach sechs Monaten eine weitere Periode, in der sich der Nebel wieder hob und viele der Symptome nachließen. Es folgte bald ein intensives Wiederauftreten der Symptome. Dieses Muster von wechselnden "Wellen" von Symptomen und willkommenen "Fenstern" der Klarheit setzte sich fort, wobei die Wellen allmählich kürzer wurden und die Fenster länger dauerten.
Insgesamt gesehen begann sich mein Toleranzentzug um das Jahr 2000 zu intensivieren, meine schrittweise Reduzierung dauerte vom Juni 2003 (als ich die ersten Versuche machte) bis 2005, mein Entzug danach bis Ende 2007.
Abgesehen von Schwindelgefühlen, Übelkeit und anderen Symptomen wurde mein Gedächtnis stark beeinträchtigt. Ich legte ein Notizbuch an mit meiner Adresse, Telefonnummer, Sozialversicherungsnummer, dem Tag, an dem der Müll abgeholt wird und anderen wichtigen Informationen. Ich fühlte mich wie jemand, der an einer früh beginnenden Demenz leidet.
Da ich seit meiner frühen Jugend Tagebücher führte, war es für mich überraschend einfach, während des Entzugs zu schreiben. Manchmal war es alles, was ich tun konnte. Während einer der Perioden, in denen die Symptome nachließen, begann ich über meine Erfahrungen im Internet zu schreiben. Dies entwickelte sich zu der Benzo-Wise-Website, die jetzt Recovery Road heißt und tausenden Menschen, die diese Medikamente entziehen, umfassende Informationen, Ermutigung und Werkzeuge fürs Bewusstsein zur Verfügung stellt.

HEILUNG ... ENDLICH!

Als sich mein Gedächtnis und andere kognitive Fähigkeiten verbesserten und meine Klarheit schärfer wurde, begann ich zu erkennen, dass ich mich in den Toleranzjahren viel mehr unwohl gefühlt hatte, als ich zuerst gedacht hatte. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass ich jetzt medikamentenfrei bin.

Geheilt und wieder klar und in mir stimmig zu sein war jede Minute des Entzugs wert. Ich habe keine Entzugserscheinungen mehr und bin jetzt vollständig genesen. Ich habe die schon vorher bestehende Dystonie, die ich seit meiner Kindheit hatte, aber alle Probleme im Zusammenhang mit dem Entzug sind verschwunden und das Leben ist wieder normal.

Ich bin immer noch sehr beeindruckt davon, wie widerstandsfähig und selbstheilend unsere Körper sind und ich habe über diese Erfahrung in meinem international erfolgreichen Selbsthilfebuch „Recovery and Renewal“ (Genesung und Erneuerung) und meinen Memoiren „With Hope in My Heart“ (Mit der Hoffnung in meinem Herzen) geschrieben.

Es kann sehr ermutigend sein, einen herausfordernden und langwierigen Entzug zu ertragen. Ich bin mir sicher, dass ich, nachdem ich das überlebt habe, künftigen Hindernissen im Leben unerschrocken gegenüberstehe, und ich genieße dieses neue Gefühl der Unbesiegbarkeit. Wie bereits erwähnt war der Bonus für mich das Privileg, anderen beim Entzug helfen zu können. Es ist bei weitem das Erfüllendste und Lohnendste, was ich jemals getan habe, und bestätigt sicherlich, dass Gutes aus jeder Situation entstehen kann.
Egal wie lang und dunkel der Winter ist, der Frühling kommt immer.
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Luthien, Anitram, Chris76
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