Martin hat über viele Jahre Neuroleptika eingenommen. Die Problematik begann mit einer Exogene Psychose, ausgelöst durch Methylphenidat.
Mittlerweilen ist er über 1,5 Jahre psychopharmakafrei.
Hier sein Erfahrungsbericht, den wir mit seiner freundlichen Genehmigung einstellen.
Hallo,
ich bin jetzt seit 5. März 2020, also damit etwas mehr als 1,5 Jahren frei von Psychopharmaka. Damals hatte ich mich etwas zeitnah nach Erreichen der Nulllinie schon im alten Forum (adfd.org) angemeldet. Mich dann aber trotz gutem Austausch auf lange Sicht nicht mehr nennenswert eingebracht.
Lag zum Teil wohl sicher auch daran, dass ich seltener konkrete Anliegen hatte. Und wenn, dann schon in den bereits bestehenden Beiträgen im Forum Antwortn auf das finden konnte, was mich umgetrieben hatte.
Der Einfachheit halber habe ich auch hier nochmals den identischen Namen wie damals im alten Forum gewählt. Wobei ich mich damals (wie bereits geschrieben) nach der eigentlichen Anmeldung nicht mehr besonders stark eingebracht hatte.
Die Vorgeschichte versuche ich mal möglichst gerafft darzustellen. Und kopiere da teils aus der Signatur aus dem früheren Forum:
Diagnosen:
- 2006: ADS oder ADHS
- 2007: Exogene Psychose, ausgelöst durch Methylphenidat (Wirkstoff - des ADHS-Medikaments Medikinet)
- 2013: Bipolare Affektive Psychose (Für mich seither am stimmigsten)
- 2014: Paranoide Schizophrenie
Psychiatrieaufenthalte:
- 2007 (Ca. 6 Monate)
- Ende 2013 (Ca. 4 Monate)
- 2014 auf 2015 (Ca. 6 Monate)
- Mitte 2016 (Ca. 2 Monate)
- Anfang 2019 (Ca. 3,5 Monate)
(Jeweils manische und psychotische Symptome gehabt)
Erster Psychiatrieaufenthalt von März bis September 2007
Im Jahr 2006 die Diagnose ADHS oder ADS erhalten und mit Methylphenidat (Gängiger Wirkstoff zur Behandlung dieser Störung) behandelt worden.
Zweiter Psychiatrieaufenthalt von September bis Dezember 2013
Entlassungsmedikation von 200 mg Quetiapin bis Februar 2008 auf null reduziert.
Dritter Psychiatrieaaufenthalt von Dezember 2014 bis Mai 2015
Entlassungsmedikation aus Aripiprazol (Neuroleptika) und Quetiapin (Neuroleptika) bis Februar 2014 zügig auf null reduziert (An Mengen kann ich mich nicht mehr erinnern)
Vierter Psychiatrieauenthalt von Juni bis August 2016
Entlassungsmedikation von 1800 mg Valproinsäure (Phasenprophylaktika) zunächst langsam und am Ende schnell bis zu null reduziert, was dann auf null wenige Monate gut ging
Fünfter Psychiatrieaufenthalt von Ende Februar bis Anfang Juni 2019
Entlassungsmedikation von 1800 mg Valproinsäure (Phasenprophylaktika), 100 mg Paliperidon (Neuoleptika-Depotsprize) alle vier Wochen und 800 mg Quetiapin (Retard) langsam ausgeschlichen. Zuletzt nur wenige Tage auf null gewesen.
Stand jetzt (Mitte Dezember 2021)
Jetzt geht es mir seither zunehmend besser. Nach dem Erreichen der medikamentösen Nulllinie hatte ich eine recht lange Phase von Antriebslosigkeit, vor allem aber Gleichgültigkeit. Erst seit vielleicht Februar/März 2021 ist sich das oder "bin ich mich" so richtig am fangen und einpendeln gewesen.
Als sehr wesentliche Faktoren dafür, nicht nochmals groß eine Symptomatik entwickelt zu habe, schätze ich recht gute Faktoren in meiner Umwelt ein. Die unter Umständen nochmals entscheidender sind oder schwerer wiegen, als eher in mir als Person verortete Aspekte. Wobei sich das sicher auch ein Stück weit gegenseitig bedingt. Sich also mein ich das äußeres Umfeld, wer mich aufsucht oder wer wie mit mir umgeht, sicher auch ("mit") damit im Zusammenhang steht, wie ich zu mir selbst stehe und mich infolge dessen auch verhalte.
Seit vielleicht Mitte 2019 habe ich etwa eine neue und recht enge "Männerfreundschaft" mit jemand, mit dem ich sehr stark auf einer Wellenlänge bin. Was aber auch viel auf Gegenseitigkeit beruht, weshalb auch von meinem Gegenüber recht viel Kontakt zu mir gesucht wird. Im August letzten Jahres hatte ich dann angefangen, auf einem "Bücherbasar" zu arbeiten. Von der Konstruktion ist das einer Behindertenwerkstatt durchaus ähnlich. Die Sinnhaftigkeit der Tätigkeiten ist aber ganz anders und mehr gegeben. Und auch die Wertschätzung durch die Anleiter ist eine vollkommen andere, als ich sie früher (November 2018 bis Februar 2019) während eienr Beschäftigung in eienr Behindertenwerkstatt erlebt hatte.
Ansonsten habe ich immer wieder längere Phasen, wo ich täglich "Expressives Schreiben" praktiziere. Das ist eine Methode aus der Traumabehandlung und auch generell der Aufarbeitung belastender Erfahrungen. Das ist ursprünglich vor allen Dingen für die Anwendung an vier möglichst aufeinander folgenden Tagen konzipiert. Oder ich sage mal vorsichtiger "vorgesehen". Wobei ich bisher gute Erfahrungen damit gemacht hatte, es auch über größere zeitliche Strecken zu praktizieren.
Im Absetzprozess oder noch mehr nach dem Schritt auf null würde ich Dinge wie Ausdauer oder auch Geduld als mit entscheidensten halten. Denn wenn es auch ohne Medikation nicht gleich gut geht, könnte man ja schnell sagen "Ohne Psychopharmaka geht es wohl auch nicht gut?". Und tatsächlich hörte ich von meinem früheren Psychiater als auch meiner Psychologin Sätze dieser Art. Im Rückblick bin ich froh, geschaut zu haben, wie sich die Dinge auf lange Sicht ohne Medikation entwickeln würden. Und nicht vorschnell nochmals zu Psychopharmaka gegriffen zu haben.
Auch ich bin (wie viele andere auch) dankbar dafür, dass ein neues Forum für den Austausch im Netz geschaffen wurde.
Jetzt habe ich (hoffentlich) an alles gedacht. Aber ich bin auch dankbar für Hinweise darauf, wenn ich etwas unglücklich strukturiert habe. Oder etwas Wesentliches vergessen hätte. Ggf. kann ich dann gerne nochmals anpassen, kürzen oder auch ergänzen.