Erfahrungsbericht
Es ist jetzt knapp 7 Monate her, dass ich das letzte Quäntchen Sertralin zu mir genommen habe. Nun ist Zeit für einen kleinen Rückblick.
Ich hatte über etwa 12 Jahre 50 mg Sertralin genommen, nachdem ich immer wieder in depressiven Phasen gelandet war - zuletzt so massiv, dass ich es nicht mehr ablehnen konnte. Ich habe selbst geglaubt, ohne diese Hilfe nicht mehr da raus zu kommen. Habe versucht, es als eine Art "Krücke" anzusehen, vorübergehend. Nach den ersten paar Wochen half es auch tatsächlich, und ich war erleichtert. Doch leider hab ich dann lange nicht den Mut gefunden, mich zu behaupten, um es wieder los zu werden... Dabei hatte ich das Gefühl, eigentlich spielt es keine Rolle mehr, ob ich es nehme oder nicht. Aus der extremen Krise bin ich lange raus, und meine sehr empfindliche Art, schnell emotional aus dem Gleichgewicht zu geraten, behalte ich sowieso.
2015 war mein erster Absetzversuch, über einige Monate von 50 mg auf Null. Das verlief ganz unproblematisch, obwohl ich - wie ich heute weiß - zu schnell unterwegs war. Nach einem halben Jahr kam dann der unerwartete "Rückfall", ich stürzte in ein ganz fieses Loch! Wieder arbeitsunfähig wegen Depression. Natürlich hielt ich das damals für einen Rückfall in die Ursprungserkrankung. Ich wusste nicht, dass solche Reaktionen auf einen Entzug auch nach so langer Zeit kommen können. Seitdem nahm ich es dann wieder, 50 mg Sertralin.
Im ADFD Forum habe ich mich dann sehr gut vorbereiten können auf einen nächsten Versuch. Das war ganz toll und wichtig! Und 2019 ging ich es dann an. Was ich sehr schwierig fand: Dass meine begleitenden Ärzte zwar sehr wohlwollend waren, aber doch eher davon überzeugt, dass ein paar Wochen, vielleicht Monate, zum Ausschleichen locker ausreichen würden. Das wollte ich aber nicht mehr wagen! Mich nicht beirren zu lassen, hätte ich ohne Forum (ADFD und PsyAb) nicht geschafft. Bei mir waren es nun 6 Jahre!!!
Auch sehr schwierig war, dass ich eigentlich kaum körperliche Absetzsymptome hatte, aber doch sehr sensibel auf psychischer Ebene reagierte. Das war so typisch für mich! Wie oft habe ich gezweifelt, konnte nicht recht glauben, dass das alles Entzugsreaktionen, und eben NICHT ursprüngliche Depressionen waren... Ich habe oft Zuspruch gebraucht. Manchmal musste ich mein Tempo anpassen, deutlich langsamer werden, sogar auch mal wieder etwas aufdosieren. Da das dann aber sofort Besserung brachte, konnte ich langsam glauben, dass es am Reduzieren liegt.
Ich glaube, diese Zweifel am richtigen Weg und die Ungeduld zwischendurch waren meine größten Hindernisse.
Dazu kamen Symptome, die mit Menstruation und Wechseljahren einher gingen. Ja, das waren definitiv Trigger! Und oft wusste ich nicht, was ist jetzt was. Ich hätte so gerne eindeutige Zeichen gehabt. Es war manchmal nicht möglich, das zu unterscheiden. Aber es half schon, langsam ein besseres Gefühl dafür zu kriegen, wann ich stärker reagiere und "gefährdeter" bin. Trigger zu kennen, sich auch mal absichern zu können - Anteilnahme und so manche hilfreiche Tipps hier im Forum!
Einzelne Höhen und Tiefen zu beschreiben, spare ich mir jetzt mal. Grob gesehen ist es insgesamt ganz gut verlaufen, aber doch langsamer als ich anfangs gedacht und mir gewünscht hätte. Und als Ganzes betrachtet, ist das sogar ein ganz, ganz doll kostbarer Prozess! Denn er ist ein Beispiel dafür, dass ich über einen langen Zeitraum diszipliniert an einer Sache bleiben kann! Das empfinde ich ganz selten, ich hab's eigentlich nicht so mit Selbstdisziplin.
Mein Jetzt-Zustand
Die knapp 7 Monate seit Null empfinde ich bisher kaum anders als während der letzten Milligrämmchen. Was typische Symptome betrifft. Und doch habe ich so ein anderes "Basis-Gefühl". Etwa ein halbes Jahr vor Null landete ich in einer beruflichen und persönlichen Krise, die mich mit dem Thema Trauma-Arbeit konfrontierte. Und ich begann eine Therapie, und ja, ich habe das Gefühl, dass das jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür ist. Frei von Substanzen genau an dem zu arbeiten, das all die Jahre schon darunter lag. Ganz frühe Erlebnisse, die bis heute wirken und mich letztlich noch immer am Leben hindern... Am wahren Leben. ADs haben das vielleicht beruhigt, aber bestimmt nicht geheilt...
Ganz euphorisch bin ich dennoch nicht, denn ich sehe all meine Baustellen so deutlich, die Widerstände, Vermeidungsstrategien, Muster. Übergewicht, Kommunikationsprobleme, meine Langzeit-Krankschreibung - diesmal nicht wegen Depressionen, sondern wegen früher Trauma-Folgen... Das macht sehr traurig. Und doch: DAS ist meine Geschichte. Und es fühlt sich anders an als "Depression". Es hat mehr mit mir zu tun. Deshalb glaube ich, dass der Weg noch lange nicht vorbei ist, vielleicht kann er sogar jetzt erst richtig beginnen. MEIN Weg.
Liebe Grüße,
Camilla
ABSETZVERLAUF SEIT 2019
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Ausgangsdosis und Medikation:
Sertralin 50 mg - SSRI (seit 2010, wieder neu seit 2015)
L-Thyroxin
Bluthochdruckmedikamente
01.01.19 - 45 mg Sertralin
01.02.19 - 40 mg
03.03.19 - 36 mg
25.03.19 - 33 mg
17.04.19 - 30 mg
26.04.19 - 31,5 mg - aufdosiert nach plötzlicher Krise auf/wegen der Arbeit
01.07.19 - 30 mg - nach bewusst verlängerter Stabilisierungszeit
01.08.19 - 27 mg - depressive Phase, sehr starke Periode (Wechseljahre?)
08.10.19 - 25 mg - seit Reha viiiel besser. Wechseljahre NICHT bestätigt
08.10.19 - 25 mg - seit Mitte Jan. Keto-Ernährung. Weiter Absetz-Pause.
01.05.20 - 22 mg
08.06.20 - 19 mg
15.07.20 - 17 mg - recht lange gute Phase. Keine Keto-Ernährung mehr.
25.08.20 - 16 mg
01.10.20 - 14 mg
20.11.20* - 13 mg
01.01.21 - 11 mg - Winter-Blues, wenig Bewegung
15.02.21* - 10 mg - zunehmend Lungen-Probleme (kurzatmig)
01.03.21* - 9,0 bzw. 8,5 mg (Fehler beim Abwiegen)
15.04.21* - 7,5 - 8,0 mg (Zwischenschritt)
01.06.21* - 7,0 mg
01.07.21 - 6,0 mg - insgesamt ein schwieriger Sommer
01.08.21 - 5,5 mg - psychische Einbrüche, antriebslos
25.09.21 - 5,0 mg - wieder stabil, aber so "am Rande"
01.11.21 - 4,5 mg
15.12.21* - 4,0 mg - Weihnacht schwer. Pause, um psychische Symptome zu testen
*Teilweise fehlt das genaue Datum - daher geschätzt
15.03.22 - 3,6 mg (-10%)
15.04.22 - 3,3 mg (-8,3%)
20.05.22 - 3,0 mg (-9,1%)
25.06.22 - 2,7 mg (-10%)
25.07.22 - 2,46 mg (-8,9%) - kleine Welle Anfang bis Mitte August
01.09.22 - 2,19 mg (-11%)
01.10.22 - 1,91 mg (-12,8%) - Probleme! Verlust familiärer Kontakte, Kater starb
01.11.22 - 1,64 mg (-14,1%) - Umstieg auf Wasserlösemethode
01.12.22 - 1,37 mg (-16,5%) - hätte besser pausiert... Heftige Krise!
14.01.23 - 1,50 mg (+9,5%) - wieder bessere psychische Verfassung
01.03.23 - 1,37 mg (-8,7%) - gut wieder eingependelt
01.04.23 - 1,23 mg (-10%)
01.05.23 - 1,09 mg (-11,1%)
01.06.23 - 0,96 mg (-12,5%) - recht stabil, manchmal Muskel- / Gliederziehen
01.07.23 - 0,82 mg (-14,3%)
29.07.23 - 0,68 mg (-16,7%)
28.08.23 - 0,55 mg (-20,0%)
25.09.23 - 0,44 mg (-20,0%)
Ab hier reduziere ich wöchentlich, um zu vermeiden, dass die Schritte zu groß werden.
02.10.23 - 0,41 mg (-6,3%)
09.10.23 - 0,38 mg (-6,7%)
16.10.23 - 0,36 mg (-7,1%)
23.10.23 - 0,33 mg (-7,7%)
30.10.23 - 0,30 mg (-8,3%)
06.11.23 - 0,27 mg (-9,1%)
13.11.23 - 0,25 mg (-10,0%)
20.11.23 - 0,22 mg (-11,1%)
27.11.23 - 0,19 mg (-12,5%)
04.12.23 - 0,16 mg (-14,3%) - Stabilisierungspause 5 Wochen
08.01.24 - 0,15 mg (-8,3%)
15.01.24 - 0,14 mg (-9,1%) - 2 Wochen Pause
29.01.24 - 0,12 mg (-12,0%)
05.02.24 - 0,11 mg (-9,1%)
12.02.24 - 0,10 mg (-12,5%)
19.02.24 - 0,08 mg (-14,3%)
26.02.24 - 0,07 mg (-13,3%) - Diagnose Prä-Diabetes 2
04.03.24 - 0,06 mg (-15,4%)
11.03.24 - 0,055 mg (-9,1%)
18.03.24 - 0,049 mg (-10,0%)
25.03.24 - 0,044 mg (-11,1%)
01.04.24 - 0,038 mg (-12,5%)
08.04.24 - 0,033 mg (-14,3%)
15.04.24 - 0,027 mg (-16,7%) - 5 Wochen Pause
20.05.24 - 0,025 mg (-10,0%)
27.05.24 - 0,022 mg (-11,1%)
03.06.24 - 0,019 mg (-12,5%)
10.06.24 - 0,016 mg (-14,3%)
17.06.24 - 0,015 mg (-8,3%)
24.06.24 - 0,014 mg (-9,1%)
01.07.24 - 0,012 mg (-10,0%) - Beginn Traumatherapie (biodynamisch)
08.07.24 - 0,011 mg (-11,1%)
15.07.24 - 0,010 mg (-12,5%)
22.07.24 - 0,008 mg (-14,3%)
29.07.24 - 0,007 mg (-16,7%)
05.08.24 - 0,006 mg (-10,0%) - 2 Wochen Pause
19.08.24 - 0,004 mg (-25,0%) - 3 Wochen Pause
09.09.24 - 0,003 mg (-33,3%) - 4 Wochen Pause
09.10.24 - 0,00137 mg (-50%) - 6 Wochen Pause
21.11.24 -[b] NULL Komma NULL[/b] - Seit Anfang November in Krankschreibung