Forscher finden keine Abweichungen im Gehirn von Menschen mit Depressionen
Artikel auf Madinamerica
Ein Forschungsteam um Nils Winter an der Universität Münster widmete sich der Frage, ob sich mithilfe spezieller Bildgebungsverfahren (Neuroimaging-Modalitäten) Abweichungen der Struktur und Funktion in Gehirnen von Menschen mit schweren Depression im Unterschied zu Gehirnen gesunder Kontrollpersonen finden lassen.
In der auf JAMA Psychiatry veröffentlichen Studie ließen sich keine neurobiologischen Unterschiede zwischen Gehirnen von Personen mit und ohne Depressionsdiagnose finden:
"Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Patienten mit Depression und gesunde Kontrollpersonen in Bezug auf neuronale Signaturen gängiger Neuroimaging-Modalitäten bemerkenswert ähnlich sind."
Die Forscher stellten daraufhin die Theorie auf, dass „klinische Heterogenität“ das Problem hinter ihrem Mangel an Ergebnissen sein könnte. Diese Theorie geht davon aus, dass, weil Depression eine so allgemeine Diagnose ist, kleine Untergruppen, in deren Gehirnen sich Unterschiede zeigen, nicht erkannt werden.
Daher führten sie Untergruppenanalysen durch und werten zum Beispiel die Daten von Personen mit chronischen Depressionen, von Personen mit akuten Depressionen und von Personen unter Medikamenteneinnahme getrennt aus. Keine ihrer Analysen ergab jedoch einen signifikanten Befund.
Im Gegensatz dazu waren die sozial-umweltbezogenen Variablen „soziale Unterstützung“ und „Kindesmisshandlung“ signifikant mit Depressionen verbunden und wurden jeweils mit einer Genauigkeit von mehr als 70 % vorhergesagt.
Peter Simons von Madinamerica weist darauf hin, dass sich dieser Vorhersagewert bei Einbeziehung weiterer sozial-umweltbezogener Variablen (z.B. Trauma, sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung, kürzlicher Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust eines Ehepartners, wirtschaftliche Unsicherheit, Mobbing) vermutlich noch deutlich erhöhen würde.
Die neurobiologisch ausgerichteten Forscher gehen jedoch nicht weiter auf die Bedeutung sozial-ökologischer Faktoren zur Erklärung von Depressionen ein, sondern stellen in ihrer Schlußfolgerung Empfehlungen dafür auf, wie zukünftige Forschung neurobiologische Tests verbessern sollte.
Originalstudie:
Quantifying Deviations of Brain Structure and Function in Major Depressive Disorder Across Neuroimaging Modalities auf JAMA Psychiatry, Juli 2022