Ausschleichen mit Hilfe der Kügelchenmethode

Informationen zu Entzugssymptomen, und zum risikominimierenden Ausschleichen von Antidepressiva, Benzodiazepinen und Neuroleptika (Antipsychotika) und Phasenprophylaktika
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Ausschleichen mit Hilfe der Kügelchenmethode

Dieser Infotext ist eine Gemeinschaftsarbeit des Teams von adfd.org und wurde dort erstmalig veröffentlicht.


Um ein Psychopharmakon in kleinen Schritten absetzen zu können, ist man häufig gezwungen sich selbst passende Dosierungen herzustellen. Fertig zu kaufende Tabletten, Kapseln und Tropfen gibt es leider nicht in so kleinen Dosierungen, um damit kleinschrittig und risikominimierend absetzen zu können.

Das Teilen von Tabletten nach Augenmaß ist zu ungenau. Dadurch kommt es zu Dosisschwankungen, die beim Absetzen von vielen Betroffenen gespürt werden und zu Absetzsymptomen führen können.

WICHTIGER HINWEIS: Die hier vorgestellte Methode wird von vielen Betroffenen problemlos angewendet. Da diese Methode jedoch von den Herstellern so nicht vorgesehen ist, kann dafür keine Sicherheitsgarantie gegeben werden.



Kurzbeschreibung und Eignung der Methode


Bei der Kügelchenmethode entnimmt man einer Kapsel mit vielen kleinen Kügelchen eine zuvor errechnete Anzahl der Kügelchen. Nach dem Verschließen der Kapsel nimmt man diese dann ein. Auf diese Weise kann man die Dosis in sehr kleinen Schritten verringern.

Die Kügelchenmethode ist anwendbar für Kapseln, die mit kleinen Kügelchen gefüllt sind. Diese Kügelchen heißen in der Fachsprache oft Pellets (andere Begriffe: Granulat, Kugeln, Plättchen). Bei Retardkapseln ist die Voraussetzung dafür, dass die Retardierung an den einzelnen Kügelchen liegt. Zwei bekannte Beispiele für solche Präparate sind Venlafaxin und Duloxetin.

WICHTIGER HINWEIS: Es gibt auch Kapseln, die nur mit wenigen größeren Pellets (z.B. nur 3 Pellets pro Kapsel) gefüllt sind. Diese eignen sich nicht zum Absetzen von Psychopharmaka, da es bei niedrigeren Dosierungen unmöglich wird, die Reduktionsschritte klein genug zu gestalten. Achtung, die Kügelchen und Pellets selbst dürfen nicht zerkleinert oder zermahlen werden, da sie meist retardiert sind und durch die Bearbeitung die Retardierung zerstört wird, was zu einer schnelleren Anflutung und möglicherweise gefährlichem Spiegelanstieg des Wirkstoffs führen kann!

Um möglichst kleinschrittig absetzen zu können, kann es erforderlich sein, auf ein Präparat, das viele kleine Kügelchen enthält, umzusteigen.
Nur manche Venlafaxin-Kapseln enthalten in der Regel Kügelchen und sind daher für ein kleinschrittiges Reduzieren mittels Kügelchenmethode geeignet. Hier findest du eine Auflistung dieser Hersteller.



Durchführung der Kügelchenmethode


Man öffnet die Kapsel, entfernt eine errechnete Menge an Kügelchen und nimmt die restlichen Kügelchen dann in der wieder geschlossenen Kapsel ein.
Das Auszählen der Kügelchen klingt zunächst sehr mühsam, aber man findet rasch eine Routine. Dann klappt es schon immer schneller und einfacher.

Um dir das Zählen zu erleichtern, kann man z.B. eine dunkle Untertasse, dunkle Dipschalen oder ähnliches verwenden, um die Kügelchen zu gruppieren. Die dunkle Hintergrundfarbe macht das Zählen zusätzlich einfacher.

Bitte die überzähligen Kügelchen nicht in den Abfluss oder in die Toilette werfen. Pharmazeutische Wirkstoffe können von den Kläranlagen gar nicht oder nur unzureichend gefiltert werden und unser Wasser ist bereits mehr als genug belastet z.B. durch Hormone, die Frauen, die die Antibabypille nehmen, über den Urin ausscheiden. Bitte die überschüssigen Kügelchen daher der Umwelt zuliebe mit dem Restmüll entsorgen.



Berechnung


Zunächst muss man die herzustellende Dosis berechnen.
Dazu kann entweder die Gesamtanzahl der Kügelchen in jeder Kapsel einzeln ausgezählt werden oder der Kapselinhalt von z.B. 10 Kapseln ausgezählt und anschließend die durchschnittliche Gesamtanzahl der Kügelchen ausgerechnet werden.
Von dieser Gesamtanzahl ausgehend errechnet man mit einem einfachen Dreisatz die Anzahl der Kügelchen, die in der Kapsel verbleiben und die eingenommen werden.



Rechenbeispiel:
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Die Kapsel hat einen Wirkstoffgehalt von 75mg. Es sollen 10% der Dosis abgesetzt werden, also 67,5mg eingenommen werden.
Die Kapsel beinhaltet insgesamt 150 Kügelchen.
  • 75mg entsprechen 150 Kügelchen
  • 1 mg entspricht 2 Kügelchen (150 geteilt durch 75 = 2)
  • 67,5mg entsprechen 135 Kügelchen (67,5 mal 2 = 135)
15 Kügelchen werden aus der Kapsel entfern, die Kapsel wieder fest verschlossen und die restlichen 135 Kügelchen in der Kapsel eingenommen.
Noch einfacher geht es mit diesem Rechner


Häufig gestellte Fragen und Tipps


Warum kann ich die Kügelchen nicht ohne Kapsel einnehmen?
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Die Kapsel schützt die Kügelchen auf dem Weg durch den Verdauungsapparat und stellt sicher, dass die Kügelchen an der Schleimhaut des Dünndarms "ankommen" und der Wirkstoff vollständig aufgenommen werden kann.
Einzel eingenommene Kügelchen können im Nahrungsbrei verloren gehen.

Zudem kann man nicht ausschließen, dass die Kügelchen ohne Kapsel bei empfindlichen Personen, Reizungen an den Schleimhäuten, z.B. der Speiseröhre verursachen können.

Daher die Kügelchen unbedingt immer in der gut verschlossenen Kapsel einnehmen.
Warum ist in den Kapseln eine unterschiedliche Anzahl an Kügelchen? Ist der Wirkstoffgehalt immer der gleiche?
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Der Wirkstoffgehalt ist immer der gleiche, pro Kapsel jeweils soviel wie auf der Medikamentenverpackung angegeben ist. Die unterschiedliche Kügelchenanzahl kommt durch die Art der Befüllung zustande. Der Wirkstoff wird auf die Kügelchen aufgesprüht, die Kapseln werden dann nach Gewicht befüllt.

Deshalb ist es sehr wichtig, zumindest beim Anbrechen einer neuen Packung aus einer anderen Charge, wieder mehrere Kapseln neu auszuzählen und ein Mittelwert zu errechnen.
Weicht die Kügelchenanzahl stark voneinander ab, oder reagierstt du sehr empfindlich, ist es besser, jede Kapsel neu auszuzählen. Dies ist besonders im unteren Dosisbereich sehr wichtig.
Die Kügelchen in meiner Kapsel sind unterschiedlich groß. Wie mache ich das mit dem Abzählen?
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Du achtest beim Entfernen der Kügelchen darauf, dass du sowohl größere als auch kleinere oder auch zerbrochene entnimmst. Eine "gute Mischung" sozusagen.
Kann ich anstelle des Zählens die Kügelchen auch abwiegen?
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Ja, das ist möglich. Du benötigst dafür eine gute Feinwaage. Die Abwiegemethode ist im Kapitel "Feinwaagenmethode" erklärt.
Beachte, dass die Kügelchen nicht nur den Wirkstoff sondern zusätzlich Füll- und Hilfsstoffe enthalten. Daher wiegt eine Kapsel deutlich mehr als der angegebene Wirkstoffgehalt.
Wird beim Öffnen der Kapseln und dem Entnehmen der Kügelchen die Retardierung wirklich nicht beschädigt?
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Bei Venlafaxin und Duloxetin Retardkapseln sind die einzelnen Kügelchen retardiert. Die Kapselhülle ist nicht retardiert und kann daher geöffnet und wieder verschlossen werden. Bei anderen Präparaten kannst du sicherheitshalber beim Hersteller nachfragen.

Um die Retardierung der Kügelchen nicht zu beschädigen, ist es wichtig, sie vorsichtig mit sauberen, nicht fettigen Händen anzufassen.
Wie kann ich die übrigen Kügelchen weiter verwenden?
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Du kannst du die übrigen Kügelchen in einem verschlossenen Döschen kühl lagern und dann in Leerkapseln füllen. Leerkapseln kannst du in der Apotheke oder online kaufen. Es sind sowohl Kapseln mit Gelatine aus auch vegane Alternativen geeignet.

Du kannst auch Kapseln auf Vorrat abfüllen. Die Kapseln sollten dann in einem fest geschlossenen Gefäß, möglichst zusammen mit einem Tütchen Silica Gel (um vor Luftfeuchtigkeit zu schützen) aufbewahrt werden.
Wie kann ich, wenn ich nur noch wenige Kügelchen einnehme, in 10%-Schritten reduzieren?
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Wenn du nur noch wenige Kügelchen hast, kannst du nur jeweils ein Kügelchen weniger nehmen, auch wenn diese Reduktion mehr als 10 % ist. Bitte keine Kügelchen teilen (da das die Retardierung beschädigen könnte)!
Die Wirkstoffmenge ist dann bereits so gering, dass die Reduktion um jeweils ein Kügelchen verkraftbar sein sollte.
Wie mache ich es, dass ich ein Präparat mit vielen kleinen Kügelchen bekomme?
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Du benötigst ein Rezept mit dem Namen des genauen Präparat und einem "aut idem"-Kreuz. Ansonsten gibt dir die Apotheke das Präparat, mit der deine Krankenkasse einen Rabattvertrag hat.
Du kannst zunächst in deiner Apotheke nachfragen, mit welchem der geeigneten Präparate (siehe obige Liste) deine Krankenkasse einen Rabattvertrag hat und kannst dann deinen Arzt gezielt um ein solches Rezept bitten.
Kann ich zum Ausschleichen auf ein unretardiertes Präparat umsteigen?
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Das ist theoretisch möglich, aber nicht empfehlenswert. Dein Körper ist an das Retardpräparat gewöhnt und am besten schleichst du mit dem Präparat aus, das du eingenommen hast. Bei einem unretardierten Präparat kommt es durch das schnelle Anfluten und raschere Wiederabsinken des Wirkstoffspiegels zu starken Schwankungen, was im Entzug sehr ungünstig ist.

Selbst wenn man man die Einnahme auf zwei oder mehrere Dosen am Tag verteilt, wäre es für den Körper eine ziemlich starke Umstellung.


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