Erfahrungsbericht Undead: Kaltentzug Zolpidem - nach Jahren wieder genesen

Berichte von Betroffenen, die bereits Antidepressiva, Benzodiazepine, Neuroleptika (Antipsychotika) oder Phasenprophylaktika abgesetzt haben
[für alle Benutzer und Gäste sichtbar]
Antworten
Team PsyAb
Team
Beiträge: 721
Registriert: vor 3 Jahre

Erfahrungsbericht Undead: Kaltentzug Zolpidem - nach Jahren wieder genesen

Undead hatte ca 6 Jahre Zolpidem eingenommen, zumeist zwischen 5 und 10 mg täglich.
Immer wieder Absetzversuche, phasenweise auch ganz ohne Zolpidem.
Anfang 2021 hat sie Zolpidem schließlich kalt abgesetzt und ist seitdem frei davon.

Nach 0 litt sie jahrelang unter teils heftigen Entzugssymptomen, die in Wellen auftraten.
Dazu gehörten u.a.: Schwindel, Muskelschwäche in den Beinen, Muskelzuckungen, Muskelkrämpfe, Blutdruckschwankungen, erhöhter Puls, Herzrasen, Ohrgeräusche, Überempfindlichkeit auf Geräusche, verschwommenes Sehen und weitere Sehstörungen, Magen/Darmprobleme, Übelkeit, Kopfdruck, Muskelverspannungen, Missempfindungen (Kältegefühle, Brennen, Stechen, Kribbeln, etc.), starke Muskel und Nervenschmerzen, Schmerzen an Händen und Füßen, starken Nackenschmerzen/Schulterschmerzen, brennende Kopfschmerzen, geringe Belastbarkeit, Schlafstörungen, bleierne Müdigkeitsanfälle, Brainfog, (chemische)Angst.

Im Herbst 2024, 3 1/2 Jahre nach 0, schreibt sie folgenden Genesungsbericht, den wir mit ihrer freundlichen Erlaubnis hier einstellen:


Hallo ihr Lieben,

lange ist es her, dass ich geschrieben hab. Ich habe immer wieder den Gedanken gehabt, dass ich erst etwas Positives schreiben möchte, wenn ich wirklich sicher bin, dass der Entzug rum ist. Wohl allein schon, weil ich selbst noch immer Angst vor Wellen, oder neuen Symptomen hatte und auch jetzt noch etwas habe. Das ist ja auch normal, wenn man mal so durch die Hölle gegangen ist. Aber Fakt ist, dass nicht alles mit dem Entzug zu tun hat. Niemandem geht es immer perfekt bzw. gut. So ist das Leben einfach.

Also, was hat sich bisher getan... Bei mir kamen Wellen immer noch in gewissen Abständen, aber unter dem Jahr waren sie überhaupt nicht mehr schlimm, nur zur Weihnachtszeit konnte ich mich bis jetzt darauf verlassen, dass es immer etwas härter wurde. Ich weiss nicht, woran das liegt. Vielleicht weil genau da der Entzug anfing und das irgendwas in meinem Gehirn gespeichert hat. Ich werds wohl nie erfahren. Auf jeden Fall weiss ich jedes Jahr, dass eine Welle kommt. Egal, wie gut die Monate davor waren, egal, wie stark ich Stress reduziere, es passiert. Aber, und das tolle jetzt, diese Wellen werden schwächer. Jedes mal, jedes Jahr wurden sie zur Weihnachtszeit schwächer. Letztes Jahr hatte ich Magen-Darm-Probleme und hab mich leicht unsicher gefühlt mit Schwindel. Das war allerdings dann nur einen Tag und ich hab mich nicht davon beirren lassen und trotzdem gefeiert. Diese Welle war sogar so schwach, sodass ich ohne Probleme Wein trinken konnte und es mir schon am nächsten Tag wieder normal ging. Ich hab mich davon einfach nicht runterziehen lassen, hab mir gesagt, ich kenns doch, das ist nichts Neues und ich hab schon wesentlich Schlimmeres überstanden. Und sollte es mir doch schlechter gehen, dann ist es halt so und ich halte mich ruhig und warte, bis es vorbei ist. Nichts besonderes.

Also weiter zu diesem Jahr: Ich habe so viel erreicht, wie noch nie in meinem Leben. Ich hab das Gefühl, seit ich diesen ganzen Medis abgeschworen habe, fange ich erst wirklich an zu leben. Seit dem kann ich erst wirklich an mir arbeiten. Und da zähle ich den Entzug komplett mit dazu! Dieser war unwahrscheinlich schlimm und schwer und traumatisierend, aber ich habs geschafft! Jeden Tag, den ich überstanden hab, jede Nacht, die ich ausgehalten hab, alles drum herum, ich möchte gar nicht mehr ins Detail gehen, das alles hat mir gezeigt, wie stark ich bin, wie viel mein Körper wirklich schafft.

Ich bin wieder in einer Beziehung und er wohnt über eine Stunde von mir entfernt. Und ich schaffe es das regelmäßig zu fahren. Sogar vormittags! Und vormittags war bei mir früher die schlimmste Zeit. Ich muss dazu sagen, ich brauche immer noch meine Zeit in der Früh. MIr geht es dann nicht sofort gut, ich brauche ein paar Stunden, um dann wieder solange Autofahren zu können, aber hey, diese Zeit kann ich mir doch geben?! Ich muss doch nicht aufstehen und sofort funktionieren. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich das oft schon noch sehr gerne hätte :D Da muss ich mich noch etwas bremsen, wenn es mal nicht so gut ist wieder. Damit meine ich jetzt aber nur solche Dinge wie Autofahren können, alles andere funktioniert wunderbar vormittags, wenn ich aufstehe, so meinem Alltag nachgehen. (wenn ich da zurückdenke, wie ich mit 130 Puls schon aufgewacht bin und mich gerade so auf die Couch geschleppt hab, weil ich nicht mehr liegen konnte... Und dann froh war, das geschafft zu haben, ohne dass was passiert mit dem Schwindel... Und wenn ich dann teilweise 5 Stunden brauchte, bis ich soweit war, das Haus verlassen zu können..-Akutzeit im Entzug, die ersten Monate).

Das heisst also, ich schaffe es und ich kann bei ihm übernachten, obwohl ich das lange vermieden habe, weil ich, sollte es wieder schlechter gehen, einfach lieber in meiner Umgebung war. Die Nächte waren ja lange Hölle bei mir. Aber auch das konnte ich überwinden.

Was mich noch oft nervt, sind die Verspannungen. Ich weiss aber genau, dass das von meinem Stressdenken kommt. Das hab ich noch nicht so im Griff, aber das ist etwas, das haben auch Menschen ohne Entzug. Von daher arbeite ich in der Hinsicht weiter an mir.

Und was ich noch sagen möchte: Ich hatte dieses Jahr keine spürbare Welle. Es gibt Zeiten, da denk ich mir, ja, es könnte eine sein, aber ich erhol mich von Stress auch mitterweile viel schneller. Wo ich früher eine Woche Erholung benötigt habe, reichen jetzt oft 1-2 Tage.

Es ist auch noch so, wenn ich eine sehr schlechte Nacht hatte, weil wenig Schlaf, wodurch auch immer, dann merk ich das den ganzen nächsten Tag extrem und mit mir ist nichts anzufangen. Ich muss also so grundsätzlich schon noch stark mit meinen Kräften haushalten. Die Genickschmerzen, wie gesagt, sind noch da, mal mehr, mal weniger und was auch noch bei mir präsent ist, sind die Schmerzen in Händen und Füßen. Aber da ist es so, wenn es mal stärker wird, dann übersteigt es seit es damals begann, nie dieses Schmerzlevel. Und selbst das höchste, erreicht es echt selten. Ich kann damit gut leben und bin deswegen auch nie mehr zum Arzt gegangen. Damals halt zur Neurologin, die hat durchgemessen, gesagt, die Nervenleitgeschwindigkeit ist normal und dann hab ich es darauf beruhen lassen. Ich merk es halt wie alle anderen Wehwehchen und messe dem nicht zu viel bei.

Was ich sonst noch mache, ist mein Therapietagebuch führen. Aber auch nur sporadisch, nur für mich. Es ist oft ganz interessant, später darin zu lesen. Und die Meditation muss ich wieder mehr ins Auge fassen, das hab ich stark vernachlässigt, obwohl mir das schon sehr geholfen hat. Das muss ich wirklich sagen.

So, das wärs jetzt glaub ich erstmal. Gerade fällt mir nicht mehr ein, aber wenn doch, ergänze ich es einfach :)

Ich wünsche euch allen alles Gute. Glaubt weiterhin daran, dass es gut wird, indem ihr euch vertraut, eurem Körper vertraut, euch vertraut! :fly:

Nachtrag:

ich möchte das mit den Nervenschmerzen noch kurz etwas genauer definieren. Weil es sich so anhört, als hätte ich konstant Schmerzen, das ist nicht so. Es ist so, dass es selten mal so stark da ist, dass ich daran denke. Es ist bei weitem nicht mehr so wie anfangs. Da war es ja teilweise so schlimm, dass es mir wehtat, wenn ich die Füsse nur auf den Boden gestellt hab im sitzen, ich musste sie dann ständig hochlegen. Was auch weg ist, dass sie so extrem kälteempfindlich sind. Ich habe die erste Zeit, als das anfing, meine Füsse gar nicht mehr warm bekommen, nur, wenn ich sie an die Heizung gehalten hab, oder eine Wärmflasche hatte. Und das hat dann auch nicht lange vorgehalten. Genauso ist es weg, dass ich jeden Tropfen auf den Füßen vom Wasserstrahl der Dusche wie Eiswasser spüre. Ausserdem ging dieses Kältegefühl bis in die Schienbeine hoch, das ist schon lange weg. Also wenn ich im Auto saß und von der Lüftung der Windzug da war, hab ich das durch die Hose richtig kalt gespürt.

Was ich jetzt auch noch vergessen habe, damals aber glaub ich erzählt hatte, ist, dass ich ja nicht nur bei der Neurologin war, sondern auch in der Rheumatologie, wo alles auch noch gecheckt wurde. Geröntgt, sämtliche Blutwerte usw. Alles ohne Befund. Das war mir jetzt noch wichtig, dazu zu sagen.

Und eine wichtige Sache möchte ich noch erzählen: Ich hatte Ende letzten Jahres eine OP. ich möchte nicht erklären, was es war, nur, dass es nichts gravierendes war. Aber ich war dadurch 5 Stunden in Vollnarkose. Danach habe ich gegen die Schmerzen Oxycodon bekommen. Also noch im Aufwachraum. Das fand ich nicht so toll, weil ich eigentlich in meinem Fragebogen angegeben hab, dass ich keine Opiate/Opioide vertrage. Ich hatte dann aber solche Schmerzen, dass ich es angenommen hab. Ich muss aber dazu sagen, es hat nur ganz kurz die Schmerzen gelindert und ich fühle, dass mein Körper sowas nicht mehr will. (hab ja auch eine Codein und Tramadolvorgeschichte). Ich hab kein Highgefühl mehr durch sowas. Genauso, wie viele immer beschreiben, dass die Narkose so toll ist, wenn man dann am Anfang das Mittel gespritzt bekommt, bei mir ist das nicht so. Und ich bin ganz froh drüber.

Ich hatte danach auch keinerlei Bedürfnis, irgendetwas zu nehmen, also es hat mich überhaupt nicht getriggert. Darauf bin ich auch sehr stolz, weil man weiss ja, wie stark genau dieses Mittel abhängig machen kann.

Es hat dann ca. 3 Wochen gedauert, bis ich wieder fit war. Es hat auch da nichts getriggert, oder den Entzug wieder zurückgesetzt, oder Derartiges.

Viele liebe Grüße,
Undead
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Team PsyAb für den Beitrag (Insgesamt 6):
AstroAnna, madmaik, Bittchen, Soulfood, Obrr, Rike72w
Antworten