Erfahrungsbericht Jara: Ein mühsamer „Nach-Entzug“ (Fluoxetin)

Berichte von Betroffenen, die bereits Antidepressiva, Benzodiazepine, Neuroleptika (Antipsychotika) oder Phasenprophylaktika abgesetzt haben
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Erfahrungsbericht Jara: Ein mühsamer „Nach-Entzug“ (Fluoxetin)

Jara war durch das zu schnelle Absetzen von Fluoxetin in ein schweres protrahiertes Entzugssyndrom geraten. Der nachfolgende Heilungsbericht wurde mit ihrer freundlichen Genehmigung aus ihrem Absetztagebuch zusammengestellt.

Ich bekam 2012 Fluoxetin aufgrund einer Magersucht verschrieben, ohne jegliche Aufklärung, somit dachte ich mir nichts dabei, als ich es 2015 kalt absetzte und von einem auf den anderen Tag bettlägerig war, ich konnte nicht einmal zur Toilette und wollte nur noch sterben. Ich wusste nichts mehr, gar nichts, nur dass ich es nicht mehr aushalte. Ich sollte mit meinen ursprünglichen 20mg wieder eindosieren und hatte (wie ich heute weiß) unendliches Glück, dass es griff und ich bis 2020 normal leben konnte, ich war wieder ganz die alte (mit leichtem Trauma), ging mir sehr gut.

2019 schlich ich dann Fluoxetin erneut aus, ich hatte nicht viel Zeit, ließ mir aber mehr, als der Arzt mir riet (siehe Signatur). 2020- 4 Monate nach meinem Erreichen den 0mg Fluoxetin, bekam ich Amitryptilin, weil ich plötzlich starke Schmerzen hatte, die nicht aufhören wollten.

Ich erlitt am 3. Tag eine schwere Unverträglichkeitsreaktion- an diesem Tag endete mein Leben. Von einer auf die andere Sekunde. Ich kann heute nicht mehr genau ins Detail gehen, ich bin traumatisiert. Seither ist es ein Überlebenskampf.
Januar 2022:
Ich bin nun im 20. Monat nach „0“.

Es hat sich verändert. Es gibt mittlerweile schöne Momente und auch Tage die einfacher sind. Aber normal ist leider nichts … was mir manchmal gar nicht so bewusst ist, ich weiß schon gar nicht mehr, wie sich ein normales, unbeschwertes Leben ohne Symptome anfühlt.
Aktuell stecke ich leider in einer schlimmen Welle. Mal wieder. Mal wieder hoffnungslos. Mal wieder fühlt sich der Kampf so unendlich, hoffnungslos und zermürbend an. Mal wieder frage ich mich, ob das jemals aufhört und wie lange ich das noch aushalte.
Ich hatte ja von Anfang an Angstzustände die nicht von dieser Welt sind und die waren wirklich sehr viel besser und manchmal sogar fast weg für ein paar Stunden, ich hatte schon vergessen wie schlimm das war, es erschüttert mich, dass ausgerechnet das wieder in so einer Heftigkeit da ist … es fühlt sich dadurch so an, als wäre in diesem Bereich gar keine Heilung geschehen … wo ich mir doch so sicher war … ich habe mittlerweile absolut null vertrauen mehr in mich oder meinen Körper … immer wenn ich es mir wieder aufbaue, zeigt mein Körper mlr, dass ich ihm eben doch nicht trauen darf.
Wenn ich versuche mich abzulenken, zb beim Fernsehen, muss ich damit leben, dass ich dann plötzlich Angst vor Gegenständen, Bewegungen oder was auch immer habe, das ist alles so dermaßen verstörend, wie kann das Gehirn nur so verletzt sein.
Och habe seit dem Nachentzug sehr stark mit so chemischen Angstzuständen zu kämpfen und habe manchmal eine ganz komische Wahrnehmung (kein dp/dr, das habe ich auch, ist aber anders), es sieht dann alles gruslig aus, also zb Bäume, Autos, Fenster, Bilder, es kann alles möglich sein und macht dann unheimliche Angst, wie in einem Horrorfilm … im Moment ist das wieder sehr präsent und belastet mich extrem. Ich kann mich so überhaupt nicht wohl fühlen…
August 2022
Ich möchte mal ein Update geben.

Nach circa 27 Monaten nach 0.

Mir ging es wirklich sehr sehr viel besser! Ich habe noch keine symptomfreien Tage, aber hatte wieder sooo viel mehr gemacht!

Mich quälen immernoch Angstzustände, die ich vorher nie hatte … in den unterschiedlichsten Variationen und das kann jede Kleinigkeit triggern. Auch Flashbacks, die sind soooo fies. Und dann machen mir auch viele Dinge Angst, die mir früher nie Angst gemacht haben.
Z.B. kann ich immernoch kein Autofahren aushalten, ich mache es trotzdem, aber es ist so eine Quälerei. Als Beifahrer natürlich.

März 2023

Ich konnte auch nichts mehr alleine, an Auto fahren war nicht zu denken, ich habe mich nicht einmal getraut duschen zu gehen vor Angst. Das war natürlich in der akuten Phase. Aber auch alleine einkaufen zu gehen zb war mir lange nicht möglich.
Ich war schon stolz wenn ich es geschafft habe, nur bei uns die Straße runterzugehen. Aber nie alleine. Und wenn ich es alleine gemacht habe, bin ich gerannt, um schnell wieder zurück zu sein, weil ich dachte, ich breche zusammen.

HEUTE fahre ich mein Auto wieder und gehe jede Woche alleine mit meiner Tochter einkaufen, wir fahren jeden Tag wohin, nur weite Strecken traue ich mir alleine noch nicht zu ohne Begleitung, weil ich eben noch nicht ganz gesund bin. Manchmal kommen dann noch Angstzustände oder Schwindel. Aber allen in allem, lebe ich normal. Ich habe mich selbstständig gemacht und Arbeite wieder.

Ich kann jeden Tag spazieren gehen mit meiner kleinen, auch 10 km und mehr jogge ich manchmal mit dem Buggy durch den Wald. 🙈

Seit ein paar Tagen trinke ich sogar wieder meinen geliebten Kaffee MIT Koffein und es macht mir nichts aus. Vor 2 Jahren dachte ich, ich sterbe an einem entkoffeinierten Kaffee, so schlimm habe ich reagiert.

Gleich fahre ich einkaufen und besorge noch ein Geschenk, weil meine Freundin heute Abend kommt.

Ich will ins keinster Weise angeben, wie toll alles jetzt ist, nein, ich will Mut machen! Wer meinen Verlauf kennt, weiß was ich durchgemacht habe. Es ist wie ein zweites Leben für mich.

Es ist nicht immer einfach und ich habe immernoch jeden Tag Symptome, aber sie hindern mich nicht mehr am Leben und oft habe ich auch Stunden, wo ich nichts mehr merke. In anderen Stunden, denke ich wieder „nein Mist, bitte nicht“, aber das verzieht sich relativ schnell wieder.

Ich kämpfe noch, aber ich genieße auch wieder, ich LEBE wieder. ❤️

Februar 2024:
Es ist nun fast 4 Jahre her und ich fühle mich komplett wie die Alte. Ich bin extrem belastbar, ich fühle keine Einschränkungen mehr. Ich gehe arbeiten, trainiere und bin einfach eine glückliche Powermama. ❤️ nur meine Ehe hat leider sehr gelitten, aber daran arbeiten wir auch noch. Ich genieße gerne mal ein Glas Wein oder auch zwei, ich kann alles essen usw und es hat keinerlei Auswirkungen. Wie es mit Medikamenten aussieht, kann ich nicht sagen, denn ich bin sehr traumatisiert und das ist eigentlich auch das einzige, was mich noch regelmäßig belastet. Oft kommen Ängste in mir hoch und die Erinnerungen machen mir Panik. Aber das sind ECHTE Gefühle und nicht diese schreckliche Entzugsangst.

Ich lebe wieder ein ganz normales Leben, nach dem Entzug. Für alle die mich nicht kennen: haltet durch, jeder sagt das, aber ich bin mir sicher, ich war extrem schwer betroffen. Ich dachte, ich würde das nicht überleben.

Ich wünsche jedem, das einmal sagen zu dürfen. Ihr werdet euch am Ende stärker fühlen, als jemals zuvor, auch wenn ihr es gerade nicht glauben könnt. Ich bin so sehr gewachsen.

Ich wünsche euch alles alles Liebe und lasse viele Grüße hier,

Jara 🌸🌺🌷🌹🌼💐
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