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Sammlung Vorträge / Artikel zur „virtuellen Selbsthilfe“ durch Online-Foren

Hinweise und Informationen zu Veranstaltungen, Teilnahme an Studien, Öffentlichkeitsarbeit und dergleichen
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Iris
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Sammlung Vorträge / Artikel zur „virtuellen Selbsthilfe“ durch Online-Foren

Nachfolgend werden alle Vorträge / Artikel zusammengestellt, die vom (Team-)Mitgliedern des ADFD / Psyab-Forum organisiert wurden.
Iris
Moderator
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Registriert: vor 2 Jahre

Vortrag zu virtueller Selbsthilfe, Entzugsproblematiken beim DGPPN Kongress 2018

29.11.2018
Symposium „Ein neuer Umgang mit Absetz- und Entzugsproblemen bei Antidepressiva und Neuroleptika" beim jährlicher Kongress der DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V.).

Vorsitz:
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin.
Peter Lehmann, Berlin

Skript Vortrag
Psychopharmaka absetzen - Hilfen und Erfahrungsaustausch per Internet
Iris Heffmann, Berlin

Hier als Artikel:
http://www.antipsychiatrieverlag.de/inf ... ternet.pdf

Guten Morgen!

Ich freue mich, heute als Vertreterin der Selbsthilfe an diesem Symposium teilzunehmen.

Ich vertrete eine besondere Form der Selbsthilfe, und zwar eine virtuelle Selbsthilfegruppe. Das heisst, der Austausch der Betroffenen über Absetzschwierigkeiten online stattfindet, über ein Forum als Austauschplattform.

Der Titel dieses Symposiums lautet ja: Neuer Umgang mit Absetzproblematiken.

Der virtuelle Austausch zu diesen individuellen Schwierigkeiten ist jedoch nicht neu. Das Forum ADFD (www.adfd.org) gibt es seit 2003 (Anmerkung 2022, inzwischen ist das Forum stillgelegt und es gibt seit 2021 das neue Forum PsyAb), also bereits 15 Jahre. Es wurde von Betroffenen und Angehörigen als private Initiative gegründet. Diese haben damals für ihre Probleme gegenseitige Unterstützung in englischsprachigen Foren gefunden - diese gab es also noch früher - und wollten diese Austauschmöglichkeit und unabhängige, kritische Informationen auch auf deutsch zur Verfügung stellen.

Online Erfahrungsberichte / virtuelle Selbsthilfe gibt es also schon länger. Was neu ist, ist das Interesse der Forschung und Fachzeitschriften am Thema. Darüber möchte ich heute sprechen, zunächst aber noch etwas zum Forum und zu Entzugssymptomatiken allgemein sagen.

Schwerpunkt bei Gründung des Forums lag auf Antidepressiva, daher auch das Akronym ADFD / das bedeutet ausformuliert Antidepressiva Forum Deutschland. Heute ist ADFD ein Eigenname für die virtuelle Gruppe geworden und gibt es Austausch zu Absetzschwierigkeiten von allen Psychopharmaka, also auch Neuroleptika und Benzodiazepine.

Es gibt weltweit mehrere Foren, zum Beispiel das amerikanische Forum https://www.survivingantidepressants.org/ oder andere online-Gruppen, beispielsweise auch auf Facebook.

Manche Menschen können ihre verschriebenen Medikamente relativ problemlos absetzen. Andere haben leichte, mittelschwere oder schwerwiegende Symptomatiken, die es ihnen dann beispielsweise nicht mehr möglich machen, ihrem Beruf nachzugehen oder am sozialen Leben teilzunehmen.

Im Forum finden sich aufgrund des Schwerpunktes sehr schwierige Reduktions- und Absetzverläufe mit komplexen Symptombildern und auch anhaltenden postakuten Störungen. Diese körperlichen und psychischen Symptome können über Wochen und Monate oder auch über Jahresgrenzen hinaus anhalten. Sie treten oftmals in Wellen auf.

Im Forum sprechen wir bewusst von Entzugssymptomen, weil es dem Erleben der Betroffenen entspricht. Letztendlich wird es auch in den relevanten aktuellen Fachartikeln zum Thema so gehandhabt und empfohlen. (Neue Klassifizierung des Entzugs von Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern oder Withdrawal Symptoms after Selective Serotonin Reuptake Inhibitor Discontinuation: A Systematic Review)

Wir gehen zudem von einem körperlichen Abhängigkeitspotential im Sinne einer neurophysiologischen Adaption bzw. Gewöhnung aus.

In allen Betroffenengruppen weltweit hat sich ein Konsens entwickelt, wie man möglichst risikoarm vor allem bei Langzeiteinnahme absetzt.

Empfohlen wird ein langfristiger und kleinteiliger Ausschleichprozess von 10% Reduktionen, individuell von der jeweiligen aktuellen Dosis ausgehen, alle 4-6 Wochen. Es handelt sich um eine Orientierung. die individuell anzupassen ist. Immer wieder müssen Betroffene, die starke Absetzsymptome haben, im Verlauf noch kleinere Schritte wählen.

Im virtuellen Austausch gibt es neben der Dokumentation von Absetzverläufen auch viele Erfahrungswerte und Tipps, wie man kleine Dosisschritte herstellt. Dies kann beispielsweise über das Zählen von Kügelchen bei Präparaten wie Venlafaxin erfolgen. Manche Betroffene arbeiten mit Feinwaagen, viele unretardierte Tabletten lassen sich in Wasser auflösen um gewünschte Einheiten herzustellen. Erfreulich ist es, wenn ein kooperierender Psychiater gefunden wird, der ein Rezept für Individualrezepturen ausstellt.

In den Leitlinien zur Behandlung von Depression wird allgemein ein Ausschleichen über vier Wochen nahegelegt, ohne weiteren Bezug beispielsweise auf die Einnahmedauer. Viele der Forumsteilnehmer nehmen jedoch schon sehr lange Medikamente, ich spreche hier von 5, 10, 15 bis beispielsweise 35 Jahren.

Betroffene, die das Forum aufsuchen, haben zumeist in kurzen Zeitspannen - oft auch ärztlich begleitet - reduziert und abgesetzt und sind mit Symptomen konfrontiert, die neu und oft auch beängstigend für sie sind. Nicht selten sind die Teilnehmer sehr verzweifelt.

Viele Teilnehmer bekommen von ihrem Behandlern keine Anerkennung oder Hilfestellung. Viel zu oft herrscht das Credo vor, Symptome seien garnicht nicht zu erwarten oder wenn, dann allgemein leicht und selbstlimitierend. Dies trifft auf eine unbekannte Anzahl Betroffener jedoch nicht zu.

Warum ist es schwierig mit dem Wissen um Entzugssymptome und die Anerkennung von Absetzsyndromen?


Vielleicht gibt ein Zitat von Psychiater Dr. Jan Dreher / Blog Psychiatrierogo aus dem Buch „Antidepressiva absetzen“ von zwei Betroffenen (Mischa Miltenberg und Melanie Müller, https://antidepressiva-absetzen.com/) einen Anhaltspunkt.

Dr. Dreher schreibt (Zitat)
In den etablierten Büchern zur Psychopharmakotherapie stehen Absetzsymptome erst seit wenigen Jahren drin, wenn überhaupt. Früher kannte das kein Mensch. In der Ausbildung hat mir das auch keiner erzählt. Als ich den Blogbeitrag (2014, https://psychiatrietogo.de/2014/01/08/a ... epressiva/) schrieb, wusste ich auch nicht, dass es das gibt. Doch dann kamen sehr viele Kommentare von Patienten, dass es sehr wohl Absetzerscheinungen gibt.
Einen weiteren Anhaltspunkt warum es schwierig liefert eine Aussage von Dr. Ulrich Vorderholzer, zu finden bei seinem Blogbeitrag „Wieviel Antidepressiva sind zuviel“ https://www.psychosomatik-online.de/wer ... a-gegeben/

Er schreibt, dass Menschen die Antidepressiva – vor allem nach jahrelanger Anwendung – nur sehr schwer absetzen können oft nicht das Verständnis und die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, weil auf die Problematik bisher zu wenig Aufmerksamkeit gerichtet worden sei, aber derzeit ändere sich das ganz rapide.

Er setzt sich übrigens ganz aktuell in einem Artikel der Zeitschrift Psychiatrische Praxis mit den Pro-Argumenten für eine Abhängigkeit von Antidepressiva auseinander. Quelle

Wenn Forumsteilnehmer ihren Behandlern mitteilen, das sie online viele Berichte von Betroffenen gelesen haben, denen es ähnlich geht, heisst es nicht selten: Ach, online kann man ja viel erzählen. Die Wichtigkeit von Onlineberichten sehen aber gerade diejenigen, die sich in der Forschung mit dem Thema Entzugssymptomatiken auseinandersetzen.

Dr. Dee Mangin (Neuseeländerin, Professorin in Kanada), führte eine Absetzstudie zu Fluoxetin durch und erklärte in einem Interview, wichtige Forschungsarbeit hätten Betroffene selbst geleistet, in dem sie sich online über ihre Symptome ausgetauscht haben und dabei ähnliche Muster entdeckt hätten.

Kurzer Hinweis zu ihrer Studie, deren Ergebnisse noch nicht veröffentlich sind: In einem Interview hat sie vorab bereits erklärt: Bei einigen Teilnehmern waren die Symptome so schwerwiegend, dass sie den Entzug nicht aushielten und sie zu ihrer ursprünglichen Medikation zurückkehren mussten. Quelle

Auch Toni Kendrick sieht die Relevanz der Onlineberichte. Er führt in den UK eine Langzeitstudie zum Absetzen von AD durch und erklärt in einem Interview, dass es zunehmend Berichte von Betroffenen gäbe, die nach dem Absetzen Symptome bekommen, die sehr lange anhalten können über Monate und Jahre. Diese Bericht fänden sich v.a. in den themenspezifischen Online-Gruppen und diese seien daher sehr hilfreich, um Fallbeispiele zusammenzutragen. Quelle

Welche Literatur gibt es zum Thema Online-Erfahrungsberichte?
Studie 2012, Psychotherapy and Psychosomatics, Autoren: Carlotta Belaise et al. Quelle (ist wie viele anderen aktuelle Artikel zum Thema im Forum im Bereich Hintergrundinfos verlinkt und teilweise übersetzt)

Analysiert wurden im Internet veröffentlichte Beschreibungen, die von siginifikanten akuten Entzugssymptomen und auch von Langzeitentzugsyndromen berichten. Letzteres verstehen die Autoren als tardive Rezeptorensensibilitätsstörung.

Ergebnisse:
Die Studie bestätigt die Symptome, die in der Literatur als diejenigen geführt werden, die am häufigsten auftreten. Körperliche Symptome können beispielsweise Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall, Schwindel, Tinnitus und Gangstörungen und viele andere sein.

Im Forum außerdem häufig beschrieben: ausgeprägte körperliche Schwäche, Verspannungen, Schmerzen, Herzrasen, Störungen des Immunsystems (häufige Entzündungen und Infekte), massive Reizüberempfindlichkeit, beispielsweise auf Licht und Geräusche

Signifikante anhaltende postaktute Symptome psychischer Natur würden laut Studie u.a. aus Angststörungen, Panikattacken, verspätet einsetzende Schlaflosigkeit, depressiven Verstimmungen, emotionale Instabilität, Reizbarkeit, und andere bestehen

Weitere Ergebnisse:
Auch nach einer sehr allmählichen Reduzieren treten nach den meisten Studien noch neue Entzugserscheinungen auf, was auch in dieser Studie zu Onlineerfahrungsberichten bestätigt wird.

Die Autoren erklären:
Eine Neubewertung von tardiven, also verspätet einsetzenden anhaltenden Entzugssstörungen könne auch zu einem besseren Verständnis von Rebound, Wiederauftreten und Rückfall beitragen. Neue Forschung, wie diese Symptome zu interpretieren seien und sie zu beschreiben sei dringend erforderlich

Auch bei uns im Forum kann man Berichte vom zeitversetzten Auftreten der Symptome nach Reduktionen oder nach Null lesen, dies können Tage als auch Wochen nach dem Absetzen sein.

Die führende Forscherin der Studie, Carlotta Belaise, erklärte in einem Interview:
Zitat: Was mich bei der Erforschung dieser Berichte beeindruckte, war, dass diese Patienten sich von der offiziellen Psychiatrie so alleingelassen fühlen.

Ganz neue Studie 2018, International Journal of Risk and Safety in Medicine. Autoren: Tom Stockman et. al. unter Leitung von Joanna Moncrieff. Quelle
Analysiert wurden ebenfalls Betroffenenberichte aus dem grössten amerikanischen Forum, surviving antidepressants, gegründet 2011.

Ein Ergebnis:
„Die berichtete maximale Dauer von Entzugssymptomen überstieg deutlich die Obergrenze, die im allgemeinen bei Patienten angenommen wird. (durchschnittliche Dauer bei den Betroffenen: 21 Monate SSRI / 12 Monate SNRI)“
Weiteres Ergebnis:
Es gibt Symptombeschreibungen, die schon standardisiert erfasst wurden wie BrainZaps, aber auch solche, die bisher nicht klassifiziert sind und weniger bekannt sind: „Gehirn-Schwappen“, „der Augenbewegung hinterher hinkende Sicht“ oder „Wattegefühl im Kopf“/oft auch als Brain Fog beschrieben.“

Weitere Phänomene die im Forum beobachtet werden können:
Viele Betroffene entwickeln im Entzug erstmalig Unverträglichkeiten, sie reagieren mit unerwünschten Auswirkungen auf weitere Psychopharmaka, andere ZNS-aktive Medikamente, für Narkosemittel, Antibiotika, Betablocker, Antihistaminika, Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine (u. a. B und D) oder Schilddrüsenmedikamente. Es können auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten (u. a. Histamin) oder Allergien erstmals auftreten.

Ebenfalls finden sich im Forum Berichte, dass unklare neurologische Symptome im Einzelfall zu Verdachtsdiagnosen wie Polyneuropathie, MS, Tumoren führen und demzufolge zu weiteren Untersuchungen, zumeist ergebnislos.

Letztes wichtiges Ergebnis der Studie:
Die Autoren stellten fest, dass die Dauer der Entzugssymptome mit der Dauer des Ausschleichens korrelierte, was „darauf schließen lässt, dass Menschen mit schweren und verzögerten Entzugssymptomen ihre Antidepressiva nur langsamer reduzieren können“.

In deutschen Fachmedien ist meines Wissens wenig von Entzugssymptomen und Online-Erfahrungsberichten zu lesen.

Ausnahmen sind beispielsweise die unabhängige medizinische Fachzeitschrift Arzneimittelbrief
https://der-arzneimittelbrief.com/artik ... i-und-snri
Hier erschien 2015 der Artikel „Entzugserscheinungen beim Absetzen von Antidepressiva Typ SSRI und SNRI“ und die Autoren erklären u.a.

„Die Psychiatrie sehen wir in der Pflicht, praktikable Strategien für das Absetzen zu entwickeln und in der ärztlichen Fortbildung flächendeckend zu propagieren“

Ein weiterer Artikel „Kein Kinderspiel - Probleme beim Absetzen von Antidepressiva“ erschien in der Ausgabe 5/2018 der pharmakritischer Arznei- und Gesundheitszeitschrift „Gute Pillen - Schlechte Pillen“. https://gutepillen-schlechtepillen.de/k ... reloaded=1

Zudem veröffentlichte Peter Lehmann 2016 den Artikel „Antidepressiva absetzen - Massive Entzugsprobleme, keine professionellen Hilfen“ im Rundbrief des Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener. http://www.antipsychiatrieverlag.de/art ... setzen.pdf

Allerdings: von einem Redaktionsleiter des deutschen Ärzteblattes habe ich vor kurzem auf Nachfrage die Information erhalten, dass man derzeit ein entsprechendes Manuskript zu Absetzproblematiken vorbereiten lässt. Ich bin gespannt, ob und wann es veröffentlich wird.

(Anmerkung 2022, Artikel ist 2019 erschienen https://www.aerzteblatt.de/archiv/20728 ... depressiva)

Das Thema Absetzschwierigkeiten wird letztendlich immer mehr beachtet, was man beispielsweise auch daran sieht, dass die Psychiatric Times im Februar diesen Jahres dem Thema Online Communities zum Austausch bei Entzugssymptomatiken einen Leitartikel gewidmet hat und die Autoren erklären, was man aus diesen Foren lernen kann. Quelle

Die Autoren erklären, dass immer mehr Betroffene Austausch in Online-Community suchen und sich durch diese Foren wie nie zuvor vernetzen könnten.

Wichtige Einschätzungen der Autoren aus dem Artikel sind folgende:
  • Online-Gemeinschaften würden zeigen, dass viele Ärzte nicht auf Entzugsstörungen vorbereiten sind und es Lücken gibt, diese Symptome zu behandeln oder Patienten durch komplizierte Entzüge zu begleiten.
  • Entzug sei nicht für alle gleich, es gäbe eine Heterogenität der Symptome. Daher sei es eine Herausforderung und dringend erforderlich, diagnostische Kriterien zu entwicklen, die helfen die Syndrome zu erkennen.
  • Es sei zudem unklar, wieviele Ärzte sich bewusst seien, wie vielfältig Entzugssyndrome sein können. Dies könne zu Fehldiagnosen führen und die Symptome beispielsweise einer psychischen Störung zugeordnet werden oder einer neuen körperlichen Erkrankung.
  • Die Autoren erklären zudem, dass die Anerkennung, dass der Patient eine iatrogene (durch ärztliche Massnahmen verursachten) Komplikation hat, sei essentiell für den Recovery-Prozess.
  • Auch wenn viele Menschen keine größeren Schwierigkeiten hätten, diese Medikamente abzusetzen, würde deutlich, dass Entzugssyndrome nicht selten sind, was auch ein wichtiges Thema für das Gesundheitswesen und die Verschreibungspraxis allgemein sei.
Ein abschließendes Fazit der Autoren lautet:
Ein allgemeines Verständnis von komplexen Entzugssituationen und die Anerkennung der Syndrome sei von höchster Wichtigkeit, da sich sonst die Betroffenen vom medizinischen Establishment abwenden und ihre Unterstützung rein im Internet suchen würden. Autoren empfehlen: Fachkräfte sollten sich zudem mit Online-Communities vertraut machen.



Dieses Fazit möchte ich ergänzen.

Seit sehr vielen Jahren bleibt zu vielen Betroffenen nur die virtuelle Selbsthilfe.

Das ist keine ideale Situation sondern mehr als unglücklich, wenn Wissen, Anerkennung und Unterstützung im echten Leben fehlen und es viel zu oft heisst: Ihre Probleme können garnicht oder nicht in dieser Schwere und Dauer mit der Reduktion oder dem Absetzen ihrer Medikamente zusammenhängen.

Es wäre schön, wenn Sie alle dazu beitragen, dass sich das Wissen um und die Anerkennung von Absetzproblematiken weiter verbreitet und Betroffene bereits beim Reduzieren und Absetzen besser unterstützt werden - beispielsweise indem Sie über potenzielle Entzugsprobleme aufklären oder längere, kleinteiliger Ausschleichprozesse begleiten, damit es erst garnicht erst zu komplexen Entzugsbeschwerden kommt.

Viele Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
https://adfd.org/austausch/viewtopic.php?t=16131
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Vortrag zu virtueller Selbsthilfe und Entzugsproblematiken beim DGSP Kongress 2016

07.10.2016

Workshop: Psychopharmaka reduzieren – minimieren – komplett absetzen
Wenn man ein Fahrzeug startet, muss man auch wissen, wie man es wieder zum Stillstand kriegt. Mit Medikamenten, insbesondere mit
Psychopharmaka, ist das nicht anders.

Vortrag Iris Heffmann
Psychopharmaka absetzen – Hilfen und Erfahrungsaustausch per Internet
Wenn Betroffene sich beim Reduzieren von ihren Ärzt*innen nicht (ausreichend) unterstützt fühlen oder ihre Absetzsymptomatik nicht ernst genommen wird, suchen sie Informationen, Unterstützung und Austausch im Onlineforum der privaten Initiative ADFD.

Vortrag als Audio
https://adfd.org/content/Vortrag-DSGP-z ... 0-2016.m4a

Artikel „Bericht vom Workshop“

DGSP-Jahrestagung: Sozial.Psychiatrie 40.0
Psychopharmaka reduzieren – minimieren –
Workshop von Peter Lehmann, Asmus Finzen, Uwe Gonther, Iris Heffmann und Jann E. Schlimme
Im Rahmen der DGSP-Jahrestagung 2016 in Berlin organisierten Peter Lehmann und Asmus Finzen den Workshop »Psychopharmaka reduzieren – minimieren – komplett absetzen«, für dessen inhaltliche Ausrichtung sie verantwortlich zeichneten.

Die Podiumsteilnehmer des Workshops haben ihren dort gehaltenen jeweiligen Beitrag für soziale Psychiatrie zusammengefasst. Aufgrund der bisherigen sträflichen Vernachlässigung der Absetzprobleme bei Antidepressiva steht der Beitrag von Iris Heffmann im Vordergrund.*
Der Artikel kann hier nachgelesen werden:
https://adfd.org/content/dgsp-tagung-2016.pdf
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Artikel: Absetzen von Psychopharmaka - Erfahrungsaustausch im Internet

Peter Lehmann (Hg.)
Psychopharmaka absetzen – Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Phasenprophylaktika, Ritalin und Tranquilizern
Neu ist auch der Artikel »Absetzen von Psychopharmaka – Erfahrungsaustausch im Internet« von Iris Heffmann. Er zeigt, wo Betroffene im deutschsprachigen Raum Erfahrungen konstruktiv austauschen können, wenn sie von ihren Ärzten mit ihren Entzugsproblemen nicht verstanden oder im Stich gelassen werden.
http://www.antipsychiatrieverlag.de/absetzen.htm
Erfahrung mit Psychopharmaka (Citalopram, Venlafaxin und kurzzeitig Quetiapin), seit 2012 abgesetzt

Hinweis:
Antworten im Forum sind keine medizinischen Ratschläge, sondern beruhen auf den Erfahrungen Betroffener.
Das Team organisiert die Rahmenbedingungen im Forum und sorgt für einen friedlichen sowie respektvollen Austausch.
Iris
Moderator
Beiträge: 436
Registriert: vor 2 Jahre

Vortrag zum Forum & Entzugssyndromen. Seminar VHS Herford 2018

06.09.18 VHS Herford
Tagesseminar zum Thema "Wege aus der Depression. Antidepressiva absetzen?"

Vortrag: Sabine Haller, Jill Ebert, Reiner Ott:
Psychiatrie-Erfahrene berichten: Erfahrungen mit Antidepressiva und ihrem Entzug, mit der Tätigkeit als Genesungsbegleiter, mit dem Perspektiv- und Rollenwechsel in multiprofessionellenTeams

Hier der Bericht von Jamie / Jill Ebert (Pseudonym / Teammitglied ADFD)
Und hier mein Vortrag in Schriftform.
(Dauer 18,5 min)

Vortrag Herford

.. vielen Dank Reiner...

Liebes Publikum, auch von mir ein Hallo in die Runde.
Ich freue mich sehr von Dr. Müller und den Verantwortlichen eingeladen worden zu sein hier heute zu referieren und vor allem, dass Sie so zahlreich erschienen sind.

Ich darf mich kurz vorstellen.
Mein Name ist Jill Ebert und ich bin Moderatorin im Internetforum www.adfd.org
adfd... das klingt zugegebenermaßen etwas sperrig... das ist ein Akronym und bedeutet ausgeschrieben Antidepressivaform Deutschland.

Anders als vielleicht der Eindruck entsteht, behandelt das ADFD aber nicht nur Antidepressiva, sondern Psychopharmaka im Allgemeinen. Dazu gehören also auch Benzodiazepine und Neuroleptika bzw. Antipsychotika.

Ja, was ist das ADFD genau?
Das adfd wurde im Jahr 2003 gegründet und feiert dieses Jahr sein 15 jähriges Bestehen.
Wir sind also für Internetverhältnisse ein echter Dinosaurier und erfreuen uns *leider muss man sagen* großen Zulaufs, der auch immer stärker wird.

Das adfd ist kritisch, frei und unabhängig.
Wir beziehen keinerlei Werbegelder oder sonstiges und finanzieren uns komplett selbst.

Unser Schwerpunkt ist das Absetzen von Psychopharmaka sowie die Bereitstellung von Informationen zum Thema Psychopharmaka Einnahme, Absetzen, Nebenwirkungen und Risiken und dessen kritischer Würdigung.
Wir verstehen uns als Informationsplattform, aber auch als Selbsthilfeforum.

Seit 2013 bin ich Moderatorin dort und damit eine der am längsten Aktiven.
Ich verbringe jeden Tag ca. 1-2 Stunden ehrenamtlich mit der Betreuung von Betroffenen und der Bereitstellung wichtiger Informationen.
Im Frühling diesen Jahres habe ich mir allerdings eine Auszeit von meinem Moderatorenstatus genommen, weil mein Vater zu einem Schwerstpflegefall wurde und ich diesbezüglich erst einmal andere Dinge zu regeln hatte.

Damit Sie eine Vorstellung bekommen, wie groß unser Forum ist:
Wir haben fast 8000 Mitglieder (von denen wir schätzen, dass ca. 400 aktiv sind) im Form von Betroffenen und Angehörigen und ziemlich genau 11000 Einzelthemen, von dem in etwa die Hälfte individuelle Psychopharmakasituationen sind.
Damit ist das adfd das größte deutschsprachige und frei zugängliche Forum an Fallbeispielen für Absetzprobleme und andere Psychopharmaka-assoziierte Probleme.
Schauen Sie gerne mal vorbei, wenn es Sie interessiert.

Wenn man wie ich so lange mit von der Partie ist und Tag für Tag mitbekommt, mit welchen Problemen die Betroffenen zu kämpfen haben, die ihre Medikamente absetzen wollen bzw. alternative Methoden der Depressionsbehandlung suchen, dann bekommt man natürlich eine Idee davon, woran es in unserer Gesellschaft, - aber auch im Gesundheitswesen krankt und darum möchte ich die Restzeit nutzen unser „Kerngeschäft“ vorzustellen und noch einmal aus unserer Sicht darzustellen, wie korrektes Ausschleichen und Absetzen von Psychopharmaka geht und auf was zu achten ist.
Ja, wie sieht er aus, der klassische Teilnehmer oder neue Teilnehmer, der ins ADFD findet?

In der Regel finden Menschen zu uns, die bereits begonnen haben ihr Antidepressivum abzusetzen und die mitten oder am Ende ihres Absetzprozesses plötzlich so heftige Beschwerden bekommen, dass sie stutzig werden.
Sie fangen dann an nach ihren Symptomen zu googlen und landen dann oft bei uns, da wir aufgrund unserer Spezialisierung auf Absetzsymptome bei google immer sehr weit oben gelistet sind.

Absetzsymptome, und vielleicht sind heute auch Personen anwesend, die es selbst schon am eigenen Leib erfahren haben, können absolut horrorhafte Ausprägungen annehmen.
Ich selber habe erlebt, was es bedeutet, ein Antidepressivum abzusetzen (falsch, viel zu schnell in meinem Fall) und dann erst mal 2 Jahre krank geschrieben zu sein, weil man ausgeknockt wird.

Menschen mit Absetzsymptomen glauben nicht selten, totkrank zu sein.
Vom Schweregrad ihrer Symptomatik her sind sie das gefühlt auch, wenngleich wir glücklicherweise sagen können, dass ein Antidepressivaentzug normalerweise weder lebensbedrohlich ist noch irreversible Schäden hinterlässt.

Was schildern uns Menschen, die es so erwischt hat?
Sie berichten von dem Gefühl von Stromstößen im Gehirn und fließendem Strom im Körper, von Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Zittern, Frieren, grippeartigen Symptomen, Unruhe, Nervosität, Ängstlichkeit, Panikattacken, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Kribbeln, taube Stellen am Körper, Restless Legs, sexuelle Störungen, komplette Reizüberempfindlichkeit, vermehrte Depressivität und vieles mehr.

Viele sagen, sie waren beim Arzt und der hat den Verdacht geäußert, es könne Multiple Sklerose sein oder gar ein Gehirntumor und dass sie nun auf einen MRT Termin warten – so schwer ist die Symptomatik und so gering ist gleichzeitig das Wissen der Ärzte, diese Symptomatik in den Kontext des Absetzens einordnen zu können.

Viele Ärzte sagen dann, dass all die Symptome doch der beste Beweis seien, dass man krank sei und lebenslang diese Medikamente benötigt und dass eben die Grunderkrankung zurück sei, jetzt, wo man die Medikamente reduziert oder weglässt.
Damit missinterpretieren sie nicht nur die Situation, weil viele von ihnen anscheinend noch nie etwas über Absetzsymptome und deren Schwere gehört haben, sondern sie vermitteln den Patienten auch das Gefühl nicht ernst genommen zu werden, denn diese spüren sehr oft, dass ihr schlechtes Befinden doch eindeutig mit dem Absetzen zu tun hat und nicht unbedingt mit der Ursprungserkrankung.

Gleichzeitig lesen wir immer im Forum wieder den Satz von unseren Teilnehmern, dass die Grunderkrankung, weswegen man die Psychopharmaka einnahm, im Vergleich zu den Absetzsymptomen ein Witz gewesen sei und dass sie nie diese Medikamente genommen hätten, wenn man ihnen vorher gesagt hätte, wie schwer diese abzusetzen sind.

Warum sind denn Antidepressiva und andere Psychopharmaka oft so schwer abzusetzen? Prof. Gonther, der später referieren wird, wird darauf vielleicht noch einmal genauer eingehen, aber aus unserer Sicht sind zwei Dinge relevant.


Es ist heiß umstritten in der Wissenschaft, aber für uns ist doch relativ klar ersichtlich, dass Antidepressiva abhängig machen.
Dies geschieht subtil und äußert sich nicht wie echte Suchterkrankungen zB in dem Drang die Dosis zu steigern oder die Einnahme nicht mehr kontrollieren zu können.
Deswegen muss man unbedingt zwischen körperlicher Abhängigkeit und Sucht unterscheiden.

Aber es ist so, dass sich unter der Antidepressivaeinnahme eben das Gehirn umfassend umbaut, man kann dies Neuroadaption nennen, und wenn man ihm den Wirkstoff entzieht, mit dem er jahrelang operiert hat, kommt die diffizile Balance durcheinander und Menschen reagieren mit Absetzsymptomen.

Der zweite wesentliche Punkt ist, dass es beim Psychopharmaka-Absetzen keine Frage ist, wann der Wirkstoff aus dem Blut ist.
Der Wirkstoff ist meist relativ schnell aus dem Blut, wenn man auf 0mg geht, also absetzt, - meistens je nach Halbwertszeit nach einigen Tagen, bei Präparaten mit langer Wirkdauer nach ein paar Wochen, aber dies ist nicht der relevante Punkt.
Der Wirkstoff mag aus dem Körper eliminiert worden sein, aber diese Zeit deckt sich nicht mit der Zeit, die das Gehirn und das Zentrale Nervensystem brauchen, um sich umzubauen.

Dieser Denkfehler herrscht bei vielen Betroffenen vor, teilweise aber auch unter Ärzten.
Weswegen diese dann auch sagen, dass es nicht sein kann, dass man noch Monate später unter Absetzsymptomen leidet und etwas Anderes die Ursache der Beschwerden sein muss.

Fakt ist, dass ein jahrelang medikamentiertes Gehirn oft auch Jahre braucht, seinen Ursprungszustand wieder herzustellen. Es muss sich rück-umbauen, seine Rezeptoren neu regulieren, die geänderten Signalwege neu anpassen, seine Homöostase neu ausbalancieren etc. All das dauert in der Regel nicht wenige Wochen, sondern einige Monate bis Jahre.
Und das Beste, wie man da das Gehirn unterstützen kann, ist, dass man das Antidepressivum wirklich langsam und schonend über einen sehr langen Zeitraum ausschleicht.
Denn so kann das Gehirn mitbekommen, dass graduell der Wirkstoff abflacht und kann in Ruhe Umbaumaßnahmen einleiten.

Jemand, der bspweise 3 Jahre lang 225mg Venlafaxin eingenommen hat, kann nicht erwarten, dies in vier Wochen abzusetzen und dann ist alles gut.
Dafür gehen realistischerweise viele Monate bis Jahre ins Land.
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass es auch Menschen gibt, die relativ zügig und gut ihr Medikament absetzen können, unserer Erfahrung nach haben viele Betroffene aber teilweise heftige Symptome und brauchen Unterstützung, Zuwendung und Aufklärung.

Leider finden viele Betroffene erst zu uns, wenn der Körper bereits so aus der Bahn geworfen wurde, dass wir nur noch Schadensbegrenzung betreiben können.

Wir können dann anleiten, evtl. wieder etwas in der Dosis raufzugehen oder noch mal zu überlegen, ob man noch mal eine sehr kleine Menge, zB 1mg, des weggelassenen Medikaments eindosiert, damit die Absetzsymptome abgefangen werden können und man später noch mal in Ruhe und viel langsamer ausschleicht.
Am frohsten sind wir über diejenigen, die vor ihren ersten Versuchen das Mittel auszuschleichen zu uns finden, denn da können wir beraten und auf die wichtigsten Dinge hinweisen, sodass man einen Entzug geplant und gut informiert angehen kann und nicht gleich am Anfang schwere Fehler macht, die das ZNS nachhaltig destabilisieren.

Falls Sie sich fragen, was denn das von uns empfohlene Absetztempo ist, so lautet dies:
10% weniger alle 4-6 Wochen.
Empfindliche Menschen bitte nur 5% weniger alle 4-6 Wochen.

Dieser Wert ist in Übereinstimmung mit den Erfahrungen amerikanischer Vorreiterforen und Medizinern aus den USA und Großbritannien, wo das Thema Antidepressiva absetzen schon länger bekannt ist.

Die lange Stabilisierungszeit von 4-6 Wochen ist den von mir bereits erklärten Effekten geschuldet, dass das ZNS sich erst nachgelagert auf Dosisveränderungen remodelliert und dafür ausreichend Zeit braucht.

Den Menschen ganzheitlich zu sehen mit all seinen Bedürfnissen und darzustellen, wie verwoben alle Körperprozesse aber auch die seelischen Themen sind und dass jede Beeinflussung Auswirkungen haben kann, gute wie schlechte, ist eines der Anliegen des ADFD.
Wir versuchen auch alternative Konzepte der Depressionsbehandlung vorzustellen, da uns Antidepressiva mit ihrem fragwürdigen Nutzen-Risiko-Profil als inadäquat erscheinen und unseres Erachtens nur in absoluten Ausnahmefällen und vor allem zeitlich begrenzt eingesetzt werden sollten.

Die Stärkung individueller Ressourcen und dass jeder Mensch sich selbst auf die Suche machen muss nach Dingen, die ihm gut tun, entspannen und Zufriedenheit verschaffen, ist ein Kernaspekt unserer unterstützenden Arbeit, nicht zuletzt unter kritischer Würdigung der Gesellschaft, in der wir leben, die nur allzu sehr auf Leistung getrimmt ist und in der Menschen mit psychischen Erkrankungen oft unterzugehen drohen.

Ich möchte schließen mit den an häufigsten genannten Wünschen unserer Teilnehmer an Gesellschaft, Ärzte und Fachpersonal:

1) Antidepressiva sollten nur nach eingehender Beratung verordnet werden, unter ehrlicher Aufklärung der Nebenwirkungen und Risiken und den möglichen Schwierigkeiten beim Absetzen. Dass sie bei leichten bis mittelschweren Depressionen nicht besser als ein Placebo wirken, wird von vielen Ärzten erst gar nicht erwähnt.

2) Es sollte nicht zuerst der Rezeptblock gezückt werden, sondern die Patienten sollten auch über nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten von zB Depressionen oder Angsterkrankungen aufgeklärt werden. Nicht selten gibt es Betroffene, denen Ärzte nicht einmal in all den Jahren ihrer Psychopharmakaeinnahme geraten haben, sich mal eine Psychotherapie zu suchen.

3) Der inflationäre Umgang mit diesen Medikamenten, die teilweise verschrieben werden wie Smarties, gehört dringend zur Disposition gestellt.
Auch gesellschaftlich.

4) Absetzsymptome müssen unbedingt bekannter gemacht werden und sollten von Ärzten nicht sofort als neue Erkrankung oder Rückfall in die Grunderkrankung interpretiert werden; geschweige denn dass es immer noch Ärzte gibt, die behaupten, es gäbe gar keine Absetzsymptome
Ferner muss Fachpersonal besser geschult werden, wie man Psychopharmaka risikominimierend ausschleichen kann.

5) Antidepressiva ausschleichen bedeutet, teilweise sehr feine Dosierungen zu benötigen. Die Pharmaindustrie stellt diese niedrigen Stärken nicht bereit. Es werden dringend feinere Stärken gebraucht und sollte mehr Präparate in Tropfenform geben

6) Und zuguter letzt. Eine seelische Erkrankung zu haben oder ein Psychopharmakon auszuschleichen ist Schwerstarbeit für die Betroffenen, aber auch für Angehörige, Freunde und Umfeld.
Es wäre schön viel mehr Unterstützung in Form von Sozialarbeitern, Weglaufhäusern, alternativen Konzepten wie die Soteria, mehr niedrigschwelligen Angeboten zB bei Krankenkassen, mehr Selbsthilfegruppen, mehr krisenorientiert als medikamentenorientiert arbeitenden Psychiatrien und Ex-In- Fachleuten und Genesungsbegleitern zu haben als momentan vorhanden. Der Bedarf ist riesig.


Und hiermit wäre auch die Überleitung zu Sabine Haller gegeben, die uns im Folgenden nun über ihre Tätigkeit als Genesungsbegleiterin informiert.

Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, es waren ein paar interessante Infos für Sie dabei.
https://adfd.org/austausch/viewtopic.ph ... 44#p268944
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Re: Sammlung Vorträge / Artikel zur „virtuellen Selbsthilfe“ durch Online-Foren

Vortrag: Modellprojekte pragmatischen Handelns – Psychexit-AG (Iris Heffmann & Peter Lehmann) im Rahmen der sechste Expertenrunde Psychexit 2021 / Vom Modell(projekt) zur Regelversorgung – Der Gesundungsprozess des Absetzens von Psychopharmaka braucht eine reguläre solidarische Krankenkassenfinanzierung

Video 5 unter https://www.absetzen.info/2021/12/18/6- ... psychexit/
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Artikel "Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika - Überfällige ärztliche Hilfen"

Die Zeitschrift NeuroTransmitter versteht sich als Diskussionsforum und führendes berufspolitisches Medium für alle Nervenärzte, Neurologen und Psychiater.

In der Ausgabe 12, Dezember 2019 findet sich ab Seite 18 (im pdf Seite 19) folgenden Artikel:

Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika
Überfällige ärztliche Hilfen

von Peter Lehmann und Markus Kaufmann (Angehöriger, ADFD-Mitglied)
Das Absetzen von Psychopharmaka ist ein schwieriges Thema, sowohl für Ärzte als auch für Patienten. In diesem Beitrag wird dafür plädiert, vorsichtig mit der Erstverordnung zu sein, Patienten beim Absetzen zur Seite zu stehen und die Erfahrungen Psychiatriebetroffener zu berücksichtigen.
https://www.zns-news-neurologen-psychia ... 019-12.pdf

Dank der Autoren findet auch die inzwischen stillgelegte virtuelle Selbsthilfegruppe ADFD Erwähnung.

Für Hilfesuchende sind seriöse Informationsquellen im Internet von großem Wert (Tab. 1) [133]. Hervorzuheben ist das Antidepressiva-Forum Deutschland, das über Abhängigkeit und unerwünschte Psychopharmakawirkungen aufklärt und Erfahrungsaustausch beim Absetzen anbietet, wenn Betroffene bei ihren Ärzten auf Unverständnis stoßen.
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Interview Radiobeitrag

Antidepressiva richtig absetzen
WDR 5 Quarks - Hintergrund · 27.11.2019

Bei schwereren Depressionen kommen oft Antidepressiva zum Einsatz. Viele Menschen möchten aber nicht auf Dauer Psychopharmaka nehmen und setzen sie eines Tages ab. Doch damit sollte man sehr vorsichtig umgehen, erklärt Jochen Paulus.
https://www.ardaudiothek.de/episode/wdr ... /69392432/

Interviewt werden Iris Heffmann für das ADFD/Selbsthilfe, Prof. Matthias Berger über Nebenwirkungen/Absetzsymptome, Prof. Dr. Andreas Heinz (damals DGPPN-Präsident) über körperliche Regulationsprozesse & vorsichtiges Absetzen. Mit einer kleinen Diskussion über Abhängigkeit.
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Re: Sammlung Vorträge / Artikel zur „virtuellen Selbsthilfe“ durch Online-Foren

ANTIDEPRESSIVA
Die dunkle Seite der Stimmungsaufheller

Spektrum.de Hintergrund
08.03.2019

Viele Menschen berichten von starken Beschwerden wie Ängsten, Unruhe und Missempfindungen, wenn sie Antidepressiva absetzen - selbst dann, wenn die Wirkstoffmenge nur langsam reduziert wird. Immer mehr spricht dafür, dass Ärzte solche Entzugserscheinungen lange unterschätzt haben.

Interviewt wurden Tim, Betroffener / Dr. Uwe Gonther, Psychiater / Markus Kaufmann, Angehöriger / Iris Heffmann, Vertreterin der Selbsthilfe
Bei Tim verschwanden die diffusen Symptome nicht nach ein paar Wochen. Wie offenbar viele seiner Leidensgenossen machte er sich auf die Suche nach weiteren Informationen. Im Internet stieß er auf jede Menge Erfahrungsberichte – insbesondere im deutschsprachigen ADFD-Forum. »Die Abkürzung beruht auf dem ehemaligen Namen Antidepressiva Forum Deutschland«, erklärt ein Teammitglied der privaten Initiative, das sich unter dem Pseudonym Iris Heffmann für die Plattform engagiert. Inzwischen tauschen sich dort aber auch Betroffene und Angehörige über die Nebenwirkungen und Entzugserscheinungen anderer Psychopharmaka wie Benzodiazepine aus.

Tim war über die vielfältigen Beschwerden schockiert, von denen er dort las. Die Symptome können alle möglichen Bereiche treffen, etwa die Wahrnehmung, das Befinden, die Kognition, das Herz-Kreislauf-, Verdauungs- oder Immunsystem. Das Spektrum reicht von Schwindel und Übelkeit bis hin zu Berührungsempfindlichkeit, Verspannungen, plötzlichem Brennen, Kribbeln oder Jucken der Haut, ein Gefühl von Watte im Kopf und mehr. »Viele berichten auch von Angst, Unruhe oder Verzweiflung«, erklärt Heffmann. Ihren Erfahrungen nach treten die Symptome meist schubweise auf. Dazwischen gebe es immer wieder Phasen mit weniger oder keinen Beschwerden. Während manche Menschen die Medikamente ohne größere Probleme absetzen könnten, würden andere monate- oder jahrelang unter den Folgen leiden. Insbesondere letztere Gruppe werde von den behandelnden Ärzten nur unzureichend erkannt, so Heffmanns Einschätzung.
https://www.spektrum.de/news/machen-ant ... ig/1626864
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Re: Sammlung Vorträge / Artikel zur „virtuellen Selbsthilfe“ durch Online-Foren

7. und finale Expertenrunde des APK & der Arbeitsgruppe Psxchexit

PSYCHEXIT – Kompetente Hilfe beim Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika

Thema 2022: Die Vorenthaltung von Informationen über Absetz- und Entzugsprobleme und von Hilfen beim Reduzieren als menschenrechtliches Problem

02. Dezember 2022, 13.00 Uhr - 18.00 Uhr

Alle Dokumentationsvideos zur siebten Veranstaltung finden sich hier:
https://www.absetzen.info/2023/01/04/7- ... psychexit/

Ab etwa Minute 47 kommt in nachfolgend verlinkten Video die Diskussionsrunde nach dem Referat „Absetzen von Psychopharmaka? Warum, wann und wie? – Prof. Dr. med. Gerhard Gründer“.
Die ersten beiden Diskutanten sind Peter Lehmann und Iris Heffmann.

Austausch über Abhängigkeit, Studien zum Absetzen sowie Wege des langfristigen und kleinteiligem Absetzens.

Prof. Dr. Gerhard Gründer stimmt in der Diskussionsrunde zu, dass man bereits nach leitlinienkonformer Einnahmedauer von 1 - 2 Jahren bei Antidepressiva langsam & schrittweise über Wochen oder besser noch Monate reduzieren & absetzen sollte.

https://www.absetzen.info/PsychExit7-Vi ... ussion.mp4
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