Hier der Erfahrungsbericht von unserem Forumsmitglied Lapa:
Hallo liebes Forum,
einige kennen mich ja vielleicht noch aus dem adaf-Forum (Anmerkung Team: ADFD).
Mein Leidensweg begann im Juni 2019. Durch einen Zeckenbiss hatte ich mir eine Borreliose (Wanderröte, Fieber etc.) eingefangen, die mit einer 10-tägigen Antibiotikabehandlung bekämpft wurde. Mir ging es dann auch zunächst wieder besser. Nach ca. 1,5 Monaten habe ich dann jedoch Herzrhythmusstörrungen bekommen, da die Borreliose wahrscheinlich das Reizleitungssystem des Herzens getriggert hatte. Ich habe das volle Programm erlebt mit Notarzt, Krankenwagen, Klinik. Der normale Herzrhythmus konnte dann in der Klinik durch einen Betablocker wieder hergestellt werden, so konnte ich einer Kardioversion ("Elektroschocker") gerade noch entgehen. Zudem stand wieder eine sechswöchige Antibiose gegen die Borreliose an.
Wieder zuhause hörten die Probleme jedoch nicht auf. Als selbständiger Freiberufler hatte ich mich zwei Wochen nach dem Vorfall wieder zur Arbeit begeben. Hier bekam ich im Abstand von mehreren Tagen immer wiederkehrend Anfälle von Herzrasen um die 150 Schläge pro Minute. Bei den ersten Anfällen habe ich dann immer noch den Hausarzt aufgesucht, der im EKG dann nichts behandlungsbedürftiges feststellen konnte und mir nur die weitere Erhöhung des Betablockers angeraten hat. Jedoch ging es mir dadurch zusehend immer schlechter, auch mental. Die Häufigkeit der Episoden nahm zu und ich geriet in eine Art Verzweiflung, da ich kaum noch in der Lage war meinen Beruf mit den dauernden Anfällen auszuüben. Existenzielle Sorgen wegen hoher Kredite für die Selbständigkeit stellen sich ein. Mein Hausarzt vermutete, dass ich eine Angsterkrankung mit depressiven Symptomen entwickelt hatte und verschaffte mir einen Platz in einer psychosomatischen Klinik.
Bereits im Aufnahmegespräch wurde mir von dem Medikament Pregabalin vorgeschwärmt, was in anderen Fällen von Angsterkrankungen zuverlässig geholfen hätte. In meiner Verzweiflung und unter dem Druck ja wegen meiner Familie und der Arbeit schnell wieder gesund werden zu müssen, ließ ich mich auf das Medikament (75 mg) ein und bekam zusätzlich noch Escitalopram in "geringer" Dosis (10 mg glaube ich). Und tatsächlich ging es mir nach der ersten Einnahme deutlich besser, entspannter. Jedoch hielt dieser Zustand nur wenige Tage an.
Dann begannen die Probleme. Ich entwickelte eine unglaubliche Trägheit und kam kaum noch aus dem Bett, gleichzeitig entwickelte ich eine paradoxe Unruhe. Meine Anmerkung, ob dieses vom Medikament kommen würde beiseite gewischt. "Das ist ihre Erkrankung und wir erhöhen die Dosierungen besser mal" wurde mir gesagt. Dieses wurde dann auch gemacht 20mg Escitalopram und 100 mg Pregabalin. Aber es wurde immer schlimmer. Ich konnte vor lauter innerer Unruhe es kaum mehr aushalten irgendwo zu verweilen. Ich bekam Suizidgedanken und war teilweise wie verwirrt. Das Atmen fiel mir immer schwerer. Ich sagte den Ärzten, dass ich die Medis im Verdacht habe dafür verantwortlich zu sein. Dieses wurde barsch zurückgewiesen aber die Entscheidung zum Reduzieren mir selbst überlassen.
Ich setzte dann das Escitalopram nach knapp dreiwöchiger Einnahme von jetzt auf gleich ab und blieb erst mal auf 100 mg Pregabalin. Welches ich in der Folgezeit dann wochenweise von 100mg auf 75mg und von 75mg auf 50mg herabsetzte. Insgesamt war ich ca. sieben Wochen in der Klinik und wurde dann vor Weihnachten 2019 "ausgespuckt". Im Entlassen Weihnacungsbericht steht, dass ich mich habe stabilisieren können.
Das Gegenteil war der Fall. Mir ging es nur noch dreckig. Weihnachten war kaum auszuhalten. Der "Lärm" der Kinder schien mir unerträglich. Ich war schwerst depressiv und und und. Zwischhten Neujahr setzte ich dann, nach Rücksprache mit meinem Hausarzt ("Ist ja nur eine kleine Dosis") vollständig ab und wechselte damit vom Vorhof der Hölle in die Hölle.
Ich konnte plötzlich nicht eine Minute (!) mehr Schlafen und hatte über die Tage schlimme Zustände von innerer Unruhe/Bewegungsunruhe (Fachbegriff: Akathesie). Da ich in meinem Leben immer stark gewesen war und schon viele Untiefen durchschifft hatte, dachte ich, ich müsse auch nun nur Durchhalten und die Zähne zusammenbeißen, dann würde es schon besser werden. Im Internet hatte ich gelesen, das mein Zustand Absetzsymtome wären, was für mich logisch erschien, da ich dieses alles vorher ja nicht hatte. Ich hielt ca. 6 Wochen durch. Dann ging es einfach nicht mehr.
Ich suchte einen Psychiater auf, der meinte, dass wären keine Absetzsymtome aufgrund der kleinen Mengen und der kurzen Einnahmezeiten und ich wäre "schwerst psychisch krank"(was auch immer das heißen mag) und empfahl mir eine Klinik. Da es nicht mehr ging, suchte ich eine solche auf und ließ mich mehr als widerwillig (hatte mich vorher informiert, was für ein Höllenmedi Olanzapin ist) aber noch mehr verzweifelt auf das Medikament Olanzapin (2,5 mg) ein. Ziel war es meine "Erregtheit" einzudämmen. Ich solle damit zur Ruhe kommen und dann nach einem halben Jahr wieder absetzen.
Die Bewegungsunruhe ließ nach, ich konnte wieder zeitweise schlafen, aber eine quälende innere Unruhe blieb bestehen und ich wurde immer mehr zu einem gefühllosen Zombie. Diese Stumpfheit erschreckte mich sehr. Ich wurde dann nach ca. drei Wochen wieder als stabilisiert entlassen, da ich nach außen ja auch "ruhig" wirkte. Mir ging es jedoch überhaupt nicht gut. Die innere Unruhe wurde wieder stärker und der Bewegungsdrang brauch sich wieder seine Bahn.
Ich reduzierte auf 1,25 mg (Tabeltte einfach mit Tablettenscheider zerteilt), da ich auch sehr viel Angst vor Folgeschäden wie Dyskenisien) dieses Höllenmedi hatte. Die Tage und Nächte waren die Hölle. Tagsüber lief ich bis zu 40.000 Schritte, ohne dass es dadurch danach besser wurde. Ich konnte nicht mal mehr mein Essen am Tisch einnehmen, sondern musste immer wieder aufspringen, da ich es nicht mehr auf meinen Stuhl aushielt. Ich war schwerst suizidal. Insoweit hat die Unruhe mich gerettet, da ich nicht in der Lage war auch nur eine Vorbereitung für ein Ende der Hölle einzuleiten.
Ich fing an das Medikament zu reduzieren, in der Hoffnung, dass es dann besser werden würde. Mithilfe des adaf-Forums, welches meine Mutter für mich gefunden hatte, setzte ich das Olanzapin "kleinschrittig" ab. Im Juni 2020 war ich schließlich medikamentenfrei. Jedoch hielt die Hölle weiter an.
Neben der Akathisie und der schweren Schlafprobleme, bekam ich auch noch vielfältige andere Symptome, die ich im folgenden einmal Stichpunktartig und ohne Vollständig aufzählen möchte: Blutzuckerschwankungen, Gefühl zu frieren, Gefühl in der Sauna zu sitzen, Schwerste Depression, Totale Verzweiflung, Herzstolpern, Schwere Erschöpfungszustände, Herzrasen, Latentes Gefühl der Angst, ohne zu wissen wovor, unerträgliches Brennen im linken Brustbereich, Schmerzen Entlang der Nervenbahnen und in den Muskeln, Wortfindungsstörungen, massive Verspannungen im ganzen Körper, Tinnitus, starke Kurzatmigkeit, Bluthochdruck, Verdauungsbeschwerden etc. pp.
Ich war fast jeden Tag im Forum und habe immer wieder die Fragen gestellt "Geht das irgendwann vorbei", "ist was im Körper kaputtgegangen" und immer wieder beruhigende Worte erhalten. Vielen vielen Dank dafür an dieser Stelle. Eine Zeit lang habe ich mich auch inaktiv setzen lassen, da die vergebliche Suche nach einer Lösung für die Unruhe und die verzweifelten Berichte von anderen Forumsmitgliedern in ähnlicher Situation mich zu sehr getriggert haben.
Die Zustände hielten in unverminderter Qualität ca. ein Jahr nach dem Absetzen an. Ich wurde in der Zwischenzeit (Anfang 2021) vom Versorgungswerk meines Berufsstandes für temporär (bis 9/2022) als berufsunfähig eingestuft und mir wurde eine kleine Rente zugesprochen. Ich verlor meine berufliche Existenz und musste diese an einen Berufskollegen verkaufen. Auch familiär brauchte das Ganze uns an den Rande einer Implosion.
Mein zwischenzeitlich neuer Hausarzt stellte mich körperlich einmal gründlich auf den Kopf und schleuste mich durch alle Disziplinen der Medizin. Beim Endokrinologen wurden auch alle Hormone, die so bekannt sind (mehrere Seiten Papier) durchgescheckt. Dabei viel auf, dass ich ein "entgleistes" Stresshormonsystem habe. Namentlich Cortisol im 24h-Urin war über dass Maß erhöht. Eine körperliche Erkrankung wie dass Cushing-Syndrom konnte jedoch ausgeschlossen werden. Ich denke, dass dieses auf das Absetzen zurückzuführen ist. In der letzten Nachuntersuchung im März, war das System noch nicht wieder im Lot. Nächste Woche steht eine erneute Nachschau an.
Aber zurück zum Zustand: Nach ca. 1 Jahr besserten sich die Zustände langsam aber stetig. Am schönsten war es, als mein Schlaf sich normalisierte (Stand heute: Schlaf wieder wie ein Baby) und die Bewegungsunruhe nachließ und endlich vollständig verschwand. Am heutigen Tage kann ich sagen, dass das meiste der Symptome verschwunden oder deutlich gebessert ist. Ich bin wieder angefangen in meinem Beruf zu arbeiten und halte auch mal 8 Stunden-Tage aus. Folgende Symptome sind noch vorhanden, wobei ich nicht weiß, ob dieses noch Entzugssymptome sind oder einfach nur Nachwirkungen des Stresses, den die Krankheit und der Verlust meiner beruflichen Existenz mit sich gebracht hat:
> Bluthochdruck (zeitweise hochnormal 140/90; zeitweise immer mal wieder Werte von 150-160/110). Medikamente habe ich versucht, aber nicht vertragen. Ich bleibe auf eigene Entscheidung ohne und versuche die Hypertonie durch Sport (was mittlerweile wieder geht) zu besiegen. Nach dem Sport ist der Blutdruck immer normal. Was mich vermuten lässt, dass dieses auch mit dem Überschuss an Stresshormonen zu tun hat, der durch Sport zeitweise bekämpft wird. Ich merke auch, dass ich stressempfindlicher bin als vor dem Ganzen. Ich glaube hier reagiert mein Blutdruck auch sensitiver.
> zeitweise Innere Unausgeglichenheit. Ähnlich dem Gefühl einen Kaffee zuviel getrunken zu haben. Aber insgesamt aushaltbar. Bin dann auch im Umgang mit den Kindern immer ungeduldiger, als ich es früher war. Ggf. die Cortisolerhöhung (siehe oben)
> Kurzatmigkeit in Ruhe. Kardiologisch und von der Lungenfunktion her keine Auffälligkeiten und nicht objektivierbar. Meine Osteopathin meint, dass mein Zwerchfell, soweit Sie es denn ertasten kann, "verspannt" ist. Nach der Behandlung geht es mir diesbezüglich tatsächlich für eine gewisse kurze Zeit besser. Joggen geht komischerweise auch trotz der Kurzatmigkeit. DIese ist schlimmer bei langem Sitzen und ungerichteten Tätigkeiten wie bücken, heben von Dingen etc.
> Gefühl, der leichten Muskelsteifheit. Entweder eine normale Alterserscheinung und noch Nachwirkung der Anspannung der schlimmen Zeit.
Insgesamt muss ich aber sagen, dass ich ein halbwegs normales Leben wieder habe. Ich kann für meine Kinder da sein, ich kann wieder in geselliger Runde herzhaft lachen und ich kann wieder arbeiten. Ich hoffe, dass ich auch noch die restlichen Probleme in den Griff bekommen werde und dieses furchtbare Kapitel irgendwann komplett abschließen kann.
Viele liebe Grüße
Noch ein Nachtrag zum Cortisolspiegel:
Heute hat mich der Endokrinologe angerufen und die Werte aus der erneuten Kontrolle meines Cortisolspiegels im 24h-Stunden-Urin mitgeteilt. Diese waren ja, wie ich oben berichtet hatte, in der Zeit des Absetzens deutlich erhöht gewesen. Nunmehr sind sie wieder im normalen Bereich angelangt. Normal ist 36 bis 137 µg/24h. Ich habe jetzt 80 µg/24h und damit einen soliden Wert in der Mitte. Im Absetzprozess hatte ich wiederholt um die 300 bis 350 µg/24h.
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Ergänzungen von Lapa , aus einer Antwort(Januar 2023):
Ich hätte nie nie nie geglaubt, dass ich noch mal ein weitgehend normales Leben haben würde, die Akathisie und auch die anderen Symptome waren so mächtig und unendlich, dass ich dachte, mein Leben wäre für immer vorbei. Ich war unfähig auch nur irgendetwas in meinem Leben zu regeln, ich sah immer mehr persönliche Katastrophen, die sich neben mir auftürmten . Ich hätte täglich am liebsten aufgegeben. Ich habe im alten Forum immer wieder die selben Fragen gestellt/Sorgen geäußert und wurde immer von Padma und Co. beruhigt, dass es vorbeigeht. Ich konnte es aber nie annehmen, die Angst war zu groß, dass es dauerhaft ist. Es gab ja auch keine Fenster wie bei anderen.
Ich habe mir auch um alle neuen und alten Symptome totale Angst gemacht. Lt. Arzt hatte ich ja eine Prädiabetes entwickelt,: Das hat mich fertig gemacht - heute ist mein Zuckerwert wieder normal. Ich hatte extremste Verspannungen/Verkrampfungen im HWS-Bereich und im mittleren Rücken, ich hatte mir schon einen Termin in der Ambulanz für Bewegungsstörungen in Hamburg besorgt, da ich dachte dieses wären Spätdyskinesien von den Teufelspillen - heute habe ich das nicht mehr. Ich habe mir schlimmste Sorgen um meinen Blutdruck gemacht, der immer extrem hoch war - heute ist er immer noch nicht wieder ganz im Normbereich, aber was solls, ich will mich da nicht mehr fertig von machen. Ich bin mit einem Bigeminus (nicht enden wollende Extrasystolen vom Herzen) in die Notaufnahme gefahren worden und das Internet sagt, sowas kommt vor allem bei strukturellen Herzschäden vor, ich hatte Angst, mein Herz ist durch den Entzug kaputt - heute habe ich das nicht mehr, lt. Bericht Kardiologe keine strukturellen Herzschäden. In den Phasen nach dem Nachlassen der Unruhe war ich auch total erschöpft, ich hatte auch die Angst, ich habe jetzt eine Nebennierenerschöpfung durch das viele Cortisol das sie hatten produzieren müssen - das ist alles vorbei gegangen und nicht eingetreten (mein Cortisol war ja noch lange eher zu hoch). Ich könnte noch viel mehr aufzählen.
Wenn ich das rückwirkend betrachte, müsst mein Körper eigentlich ein totales Wrack sein, er hat aber so viel ausgehalten und ich scheine keine ernsthaften Schäden zurück behalten zu haben.
Versuch Dich nicht selbst noch weiter runterzuziehen durch wahrscheinlich unbegründete Ängste. Ich weiß, dass ist unheimlich schwer, vielleicht kriegst Du dass aber besser hin als ich. Ängste und Befürchtungen triggern nämlich auch und kosten unwahrscheinlich Kraft und das kann man im Entzug eigentlich nicht auch noch brauchen.
LG
Lapa
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