oft wird gesagt, Fluoxetin "mache keine Absetzsymptome," "schleiche sich wegen der langen Halbwertszeit selbst aus", "könne problemlos einfach weggelassen werden".
Mit meinem Erfahrungsbericht möchte ich aufzeigen, dass Fluoxetin, genau wie jedes andere Antidepressivum auch, einen sehr schwierigen, langwierigen Entzug zur Folge haben kann.
Vorgeschichte:
Ich bin an einem chronischen Schmerz- und Erschöpfungssyndrom erkrankt, das zur Berentung und zu einer körperlichen Behinderung führte. Der Auslöser der Schmerzproblematik war ein "Hexenschuß". Warum es zu einer Chonifizierung kam ist unbekannt. Wie in solchen "Fällen" üblich,wurde mir sehr schnell der Stempel "psychosomatisch" verpasst, eine Zuschreibung, die ich heute als unbegründet zurückweise.
Nach Erkrankungsbeginn folgte eine mehrjährige Ärzte/Behandlungsodysee, inklusive vieler Klinikaufenthalte.
Alle durchgeführten Therapieversuche (medikamentöse Schmerztherapie, Physiotherapie, Psychotherapien, alternative Behandlungsformen) brachten keine wirkliche Besserung.
Medikation:
Nachdem ich von einem spezialisierten Schmerzarzt positiv auf Fibromyalgie getestet wurde, entschied ich mich, ein SSRI Antidepressivum einzunehmen. Die Annahme dahinter war, dass eine Erhöhung des Serotoninspiegels die Schmerzverarbeitung verbessern würde.
Ich bekam Fluoxetin verordnet. Eine Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen erfolgte nicht. Es wurde mir nur gesagt, es würde jediglich den Serotoninspiegel erhöhen und man könne es problemlos lebenslang nehmen.
Das Medikament brachte mir keinerlei Besserung. Da ich keinerlei Nebenwirkungen verspürte, nahm ich es weiterhin ein. Ich dachte, es sei so eine Art Basistherapie, die möglicherweise zumindest eine Verschlechterung verhindern könne.
Nach einigen Jahre der Einnahme, versuchte ich spontan, es wegzulassen. Daraufhin fühlte ich mich sehr depressiv und dachte, ich würde es nun wohl doch "brauchen". Heute weiß ich, dass das Absetzsymptome waren.
Absetzversuch nach ärztlichem Rat:
10 Jahre nach Einnahmebeginn fragte mich der behandelnde Arzt, ob mir Fluoxetin was bringen würde. Als ich dies verneinte, meinte er dann solle ich es absetzen.
Aufgrund meiner vorherigen Erfahrung wollte ich die Dosis zunächst nur halbieren. Davon bemerkte ich keine Veränderung.
Der Arzt meinte dann, ich könne die restlichen 10 mg einfach weglassen. Ich wollte vorsichtig sein und es "ausschleichen" und setzte es innerhalb ca. 2 Wochen ab. Zunächst merkte ich gar nichts und dachte nicht mehr daran.
Entzugssyndrom:
Nach ca. 5 Wochen ging es mir auf einmal sehr schlecht. Ich bekam massive Schlafstörungen (was ich bisher nicht kannte); litt unter Unruhe, Benommenheit und Schwindel; seltsamen Gleichgewichtsstörungen, ein Gangbild als wäre ich "besoffen"; Niedergeschlagenheit bis hin zu unkontrolliebarem, grundlosem, anhaltendem Weinen; starke Gereiztheit, die zu massiven Schwieirigkeiten im Kontakt führte; mich völlig verändert fühlen; tiefe Verzweiflung und Angst, nicht mehr normal zu werden.
Ich wußte zunächst überhaupt nicht, was das sein könnte. Bis ich nach einigen Wochen auf die Idee kam, es könne am Absetzen liegen und begann zu recherchieren. Ich war so erleichtert, als ich das Forum ADFD fand und alle meine Symptome da beschreiben wurden.
Nun wußte ich, dass ich unter einem SSRI Entzugssyndrom litt und dass eine Wiedereindosierung einer kleinen Menge helfen könnte.
Als ich meinem Arzt berichtete, dass ich unter einem Antidepressivum Absetzsyndrom litt, schaute er mich nur ungläubich an und sagte, bei der geringen Menge könne das nicht sein, das habe er noch nie erlebt und auch noch nie davon gehört.
Er stellte mir weiter die Rezepte aus und aktzeptierte mein Vorhaben. Mehr Hilfe bekam ich nicht.
Wiedereindosierung und Stabilisierung:
Mittlerweile waren fast 4 Monate vergangen, mein Befinden war unverändert sehr schlecht. Ich wollte daher eine Wiedereindosierung wagen.
Ich began aufgrund des Risikos einer Unverträglichkeitsreaktion mit 1 mg, dosierte nach wenigen Tagen auf 2,5 mg hoch, was bereits sehr schnell zu einer Verbesserung führte. Um eine weitere Stabilisierung zu erreichen, ging ich auf 3,2 mg. Aus heutiger Sicht wäre es besser gewesen, deutlich weniger wieder einzudosieren und mehr Zeit zu geben.
Da ein erster vorsichtiger Reduktionsversuch nach einem halben Jahr die Entzugssymptome wieder verschlechterte und mir eine anstrengende Zeit (Umzug) bevor stand, wartete ich ein weiteres halbes Jahr ab.
Entzugsverlauf:
Nun began ein langer mühsamer Ausschleichprozess. Ich konnte nur in kleinsten Schritten reduzieren, in Abständen zwische 6 Wochen und 3 Monaten. Zunächst kam ich ganz gut voran, je niedriger die Dosis um so kleinschrittiger mußte ich vorgehen.
Nach jeder Reduktion traten Symptomwellen" auf, zumeist zwei, die erste nach ca 2 Wochen, die zweite nach ca. 6 Wochen. Häufige Symptome waren: Bauchkrämpfe, Mißempfindungen (Brennen der Haut, Hitzeschübe, Druck- und Schmerzempfinden an den Füßen), Schwindel, Gereiztheit, etc.
Durchgehend begleiteten mich Schlafstörungen , Konzentrationsstörungen, verstärkte Erschöpfung , diffuse Angst und eine Blasenentzündung.
Die Symptome waren zwar sehr beeinträchtigend, aber nie mehr so schlimm, wie nach dem viel zu schnellen Absetzen.
Da ich auch im untersten Dosisbereich jeder Reduktion mit Entzugssymptomen spürte, dosierte ich auf 0,01 mg herunter, bis ich den Absprung wagte.
Nach 7 Jahren Entzug hatte ich endlich die magische 0 mg erreicht.
Die Zeit nach "0"
Es ist keine akute schwere Symptomwelle mehr aufgetreten. Viele Absetzsymptome sind nach und nach weniger geworden.
Die Symptome, die mich durchgehend begleitet haben, wie Schlafstörungen, schwere Erschöpfung, "schwache Nerven" etc., sind weiterhin da. Mißempfindungen treten noch weiter auf, aber viel weniger.
Ich sehe mich jetzt fast 2 Jahre nach dem kompletten Absetzen noch nicht als "geheilt" an, Das Zentralnervensystem scheint weiterhin ""gereizt zu sein. Ich hoffe, dass eine weitere Besserung noch eintreten wird.
Was mir geholfen hat:
- Die Informationen und der Austausch im ADFD Forum
- Vertrauen darauf, dass es besser werden wird
- Geduld und Aktzeptanz, so weit mir das möglich war
- Ruhe
- Durchhalten und Dranbleiben
- Die Geduld und der Zuspruch einiger Freund*innen
- Meditation, Spiritualität
- Freude an den kleinen schönen Dingen
- meine Katzen
- Natur
Fazit:
Fluoxetin hat mir keinerlei Nutzen gebracht aber meine Lebensqualität über viele Jahre sehr beeinträchtigt. Durch die Entzugszeit sind einige sehr gute Freundschaften kaputt gegangen.
Hätte ich gewußt, dass es langsam ausgeschlichen werden sollte, wäre der Entzugsverlauf vermutlich deutlich milder gewesen.
Es war ein riesengroßer Fehler gewesen ein Medikament, das solche Risiken und keinen Nutzen hat über einen so langen Zeitraum einzunehmen.
Ich habe eine sehr ausgeprägte Osteoporose bekommen, woran Fluoxetin zumindest als ein Faktor beigetragen hat. Es ist nachgewiesen, dass es zu einem Abbau der Knochenmasse führt, Osteoporose begünstigt und das Frakturrisiko vervielfacht. Alleine aus diesem Grund, hätte ich es niemals so lange bekommen dürfen.
Dass die Ärzte meine Problematik nicht ernst genommen haben, hat mein Vertrauen in sie weiter erschüttert.
Danke fürs Lesen,
liebe Grüße,
padma