Interviewstudie: Hindernisse und unterstützende Faktoren beim Deprescribing von Antidepressiva (J.Vukas et al., 2025)

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Interviewstudie: Hindernisse und unterstützende Faktoren beim Deprescribing von Antidepressiva (J.Vukas et al., 2025)

Hindernisse und unterstützende Faktoren beim Deprescribing von Antidepressiva – Eine qualitative Interviewstudie mit Allgemeinärzten in Deutschland
(J.Vukas et al., 2025)
Link zur Studie

In dieser Arbeit untersuchte ein Forscherteam um Jochen Vukas welche Faktoren beim Deprescribing von Antidepressiva für Hausärzte unterstützend sind und welche eine Herausforderung darstellen. Unter Deprescribing (Fachbegriff aus dem Englischen, abgeleitet von: to prescribe = verschreiben), versteht man, das ärztlich verordnete und begleitete Reduzieren/Absetzen von Medikamenten.


Teilübersetzung

Abstrakt

Hintergrund
Die Langzeitanwendung von Antidepressiva geht häufig über die klinischen Leitlinien hinaus, wobei es nur begrenzte strukturierte Unterstützung für die Entwöhnungsphase in der hausärztlichen Versorgung gibt. Über die Faktoren, die Allgemeinärzte in Deutschland beim Absetzen von Antidepressiva beeinflussen, ist wenig bekannt.

Ziele
Identifizierung von Hindernissen und fördernden Faktoren, die Hausärzte in Deutschland hinsichtlich der Reduzierung von Antidepressiva beeinflussen.
Bereitstellung von Ansatzpunkten für die Entwicklung einer gezielten Intervention zur Bewältigung dieser Herausforderungen.

Methoden
Wir führten halbstrukturierte Interviews mit 20 Allgemeinärzten in Bayern durch und wählten die Teilnehmer bewusst nach Geschlecht und Berufserfahrung aus. Der Leitfaden für die Interviews basierte auf dem COM-B-Modell (Capability-Opportunity-Motivation-Behaviour) und dem Theoretical Domains Framework (TDF). Die Interviews wurden wortgetreu transkribiert. Die thematische Analyse erfolgte anhand eines strukturierten Kodierverfahrens.

Ergebnisse
Zu den wichtigsten Hindernissen für das Deprescribing gehörten Zeitmangel, begrenzte praktische Hilfsmittel und unzureichende Zusammenarbeit mit Fachärzten sowie Unsicherheit darüber, wann eine Deprescribing erfolgen sollte. Auch soziale und psychologische Faktoren, wie z. B. Ängste der Patienten, spielten eine wichtige Rolle. Zu den unterstützenden Faktoren gehörten eine gute Kommunikation zwischen Hausarzt und Patient, der Einsatz digitaler Hilfsmittel, die Unterstützung durch Apotheker und eine positive Einstellung gegenüber Deprescribing.

Schlussfolgerung
Das Deprescribing von Antidepressiva in der deutschen hausärztlichen Versorgung wird durch systemische, soziale und verhaltensbezogene Faktoren beeinflusst. Die Bewältigung von Zeitdruck, die Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit und die Integration von Entscheidungshilfen in die klinische Praxis könnten das Deprescribing erleichtern. Diese Erkenntnisse liefern Anhaltspunkte für gezielte Maßnahmen zur Förderung einer sicheren und evidenzbasierten Anwendung von Antidepressiva. Weitere Forschungsarbeiten werden empfohlen, um eine für die Praxis geeignete Maßnahme zu entwickeln.


Wichtigste Erkenntnisse
  • Die größten Hindernisse für das Deprescribing von Antidepressiva waren: Zeitmangel, fehlende digitale und praktische Entscheidungshilfen, begrenzte Zusammenarbeit mit anderen Ärzten/Fachbereichen.
  • Allgemeinmediziner sind für das Deprescribing von Antidepressiva motiviert und bereit, benötigen jedoch mehr fachliche und soziale Unterstützung.
  • Maßnahmen sollten Möglichkeiten zur Umsetzung geeigneter technischer (digitaler) Unterstützung und zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit anderen Ärzten/Fachbereichen erkunden.
Quellenangabe: Vukas, J., Brisnik, V., Sanftenberg, L., Henningsen, P., Gensichen, J., & Dreischulte, T. (2025). Barriers and facilitators to antidepressant deprescribing – A qualitative interview study with general practitioners in Germany. European Journal of General Practice, 31(1). https://doi.org/10.1080/13814788.2025.2531879
Die Originalarbeit steht unter einer CC Lizenz

Weitere Studie zum Thema:
Healthcare Providers' Perspectives on Antidepressant Discontinuation: A Focus Group Study, S.Bourfa et al. (2025)
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